Wer hat den Swag?

Wer hat den Swag?
Ausmustern. Mitunter entstehen vor dem Kleiderkasten die ganz wichtigen Fragen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Den Pullover kannst aber echt weggeben.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Der Tag hatte schon eigenartig begonnen. Wir lagen noch im Bett, als mich der Mann nebenan fragte, ob ich wüsste, was das Wort Swag bedeutet. Gehört hatte ich es, aber nur das. Also: nein. Zumal ich den Begriff weit abseits meiner Alterszone verortete. Er hingegen klärte mich auf: Swag, so erfuhr ich, steht in der Jugendsprache für eine beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung. „Ja, und? Magst du mir damit etwas mitteilen?“ Er antwortete: Nein, nein. Ist mir nur so eingefallen. Nur so. Genau.

Ausmustern?

Wenig später tat er Ungewöhnliches: Er stöberte in seinem Kleiderkasten und behauptete, er würde „ausmustern“.

Ein Ereignis, so selten wie eine totale Sonnenfinsternis. Nur nicht dabei stören, dachte ich und schlich ins Wohnzimmer. Dort hörte ich seine Selbstgespräche: Jö, das T-Shirt habe ich immer noch. Oder: Cool, die Hose war schon 1999 sehr geil. Weiters: Hm, mit dem Hemd war ich doch immer im Queen Anne, oder? Mir schwante Schlimmes: Der Mann musterte nicht aus, sondern war auf der Suche nach seiner Jugend – Stichwort: Swag! In der Tat: Auf dem Bett türmten sich 1990er- Outfits und als ich fragte, ob er gedenke, die zu entsorgen, sagte er: Warum? Die sind total super! Gleichzeitig begann er einen FC-Barcelona-Fan-Schal aus dem Jahr 1992 an der Wand zu drapieren.

Das war zu viel. Ich sprach: „Schatz, wenn du die Zeit zurückdrehen möchtest, gerne. Aber nicht hier. Frag’ doch deine Mutter, ob sie dein Jugendzimmer freimachen könnte.“ Da zog er beleidigt ins Bad ab, um die Fetzen von einst zu probieren. Wenig später verließ er mit einem großen schwarzen Sack die Wohnung, weil nix davon mehr passte. Nur der Schal lag verloren auf dem Schlafzimmerboden. Da spürte sogar ich Melancholie. Armer, alter Swagger.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Etwa alle sieben bis zwölf Jahre Jahre sortiere ich Gewand aus. Ich tue das jedoch nicht, weil es an der Zeit wäre, mich von aus der Mode gekommenen Kleidungsstücken zu trennen. Sondern lediglich aus entstandener Platznot. Ich habe zwar erneut versucht, mir für die zwei großen Kästen via (Fußmassage-)Antrag je ein Zweitregal zu sichern, aber das war natürlich wie immer völlig vergeblich.

Meine Frau kommentierte die Idee meiner räumlichen Ausdehnung nur mit einem „Na, du bist lustig“, was die milde Umschreibung von „Bist du jetzt komplett durchgeknallt?“ ist. Denn jedes Fleckerl mehr für mein Outfit würde ja eine ebensolche Einschränkung für sie bedeuten. Nein, nein, da ist es schon viel vernünftiger, wenn sich der Kleiderclown (=ich) dem Ausmusterungsprozess stellt.

Junge Zeugin

Aber immerhin, dabei unterstützt mich gnä Kuhn dann sehr gerne und vor allem konstruktiv. Sie: „Den Pullover kannst aber echt weggeben.“ Ich: „Warum, der ist noch tadellos?“ Sie: „Nein.“ Ich: „Doch.“ Sie: „Schiach.“ Ich: „Spinnst?“ Sie: „Fragen wir unsere Tochter?“ Ich: „Sicher nicht.“ Sie: „Feig.“ Ich: „Super-Pulli.“ Stunden später hat die Liebste dann echt das Teenager-Kind in den Zeugenstand gerufen und befragt, natürlich ganz neutral: „Dein alter Vater glaubt ernsthaft, dass er mit dem Ding den Swag hat“.

Sie bekam allerdings keine Antwort, weil ich im Hintergrund den gefürchteten Subventionskürzungsblick aktivierte – eine stumme, aber durchaus gut verständliche Jugendsprache. Der Pullover landete daher nicht im schwarzen Sack. Er soll es in meinem Regal für immer gut haben. Auch ungetragen. Justament.

Unsere nächsten Auftritte: 30. 9. in St. Pölten (Bühne am Hof), 3. 10. im Wiener Rabenhof (alle Herbsttermine auf paaradox.at)

michael.hufnagl@kurier.at

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

Kommentare