Immer dieser Siegeswille

Er ist davon überzeugt, dass seine DNA ausschließlich aus Sieger-Genen besteht.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Fußball-EURO-Finale. Ich juble: endlich! Er jeiert: schon? Für ihn könnte so eine Ball-Fiesta nämlich viel länger dauern. Am besten, ein Leben lang. Tag für Tag dieses Eifern darum, wer besser ist. Das ist Öl im Feuer des Mannes nebenan. Weil er nichts tun kann ohne einen „Bewerb“ im Hinterkopf. Selbst wenn er nur zum Einkaufen fährt, läuft im Hintergrund irgendwas in der Art ab: Wetten, ich finde die Milch schneller als den Käse? Dann spaltet sich der Gute in zwei Mannschafts-Ichs und Team Käse matcht sich mit Team Milch. Das hat er schon als kleiner blonder Bub gemacht, als er gegen sich selbst "Mensch,-ärgere-dich-nicht" spielte und zornig war, wenn er gegen sich verloren hat.
Siegernaserl
Für mich ein klarer Fall von Lose-lose-Situation. Er hingegen findet das total win-win und urspannend. Klar, das Luder nebenan ist Homo ludens bis in die kleine Zehe. Nicht nur: In dieser kleinen Zehe wohnt eine kleine Siegerzehe. So wie in seinem Knie ein Siegerknie wohnt. Und in seinem Naserl ein Siegernaserl. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass seine DNA ausschließlich aus Sieger-Genen besteht. Folglich interessieren ihn nur Sportarten mit Gegnern. Einfach so laufen? Das ist, als würde ihn jemand in ein Hamsterrad stellen und sagen: Viel Spaß, junger Mann! Laufen ginge also nur, würden fünf Triathleten gegen ihn anjoggen. Da könnte er endlich seine Ich bin der Michi und ich schlag sie alle-Haltung auspacken. Die kann er – sogar bei so schlichten Spielen wie "Schwarzer Peter" oder "Tempo, kleine Schnecke". Immer ist er die erste Schnecke, dann weinen die Kleinen. Aber dazu sagt der Onkel Michi nur: Kinder gewinnen zu lassen, ist unpädagogisch. Ich fürchte ja, der Onkel ist selbst noch ein Kind. Ach ja: Wer gewinnt heute wohl? Hoffentlich Team Käse.
Er
Nun, die Geschichte vom emotional aufwühlenden "Mensch-ärgere-dich-nicht"-Duell zwischen Jekyll Hufnagl und Hyde Hufnagl stimmt tatsächlich. Aber ganz ehrlich: Was soll daran besonders sein? Es ist doch klar, dass ein Teil von mir zornig ist, wenn er vom Brett gekegelt wird. Denn ich hatte sicher einen fulminanten Plan, der justament von mir selbst zerstört wurde. Meine Frau hat jedenfalls für meinen Siegeswillen und meine Zerrissenheit nicht das geringste Verständnis. Sie findet auch meine Überzeugung, dass Sport ohne Wettbewerb ungefähr so sinnvoll ist wie Sex ohne Berührung, ziemlich fragwürdig. Oder, um es in ihren Worten zu sagen: „Kindisch und blöd“.
Sonderfall und Gleichmut
Na und, bin ich halt kindisch und blöd. Aber wie denn bitte soll ausgerechnet sie begreifen, welch ein gefühlsmäßiger Sonderfall es ist, in einem Cupkrimi der 1. Klasse B den entscheidenden Elfmeter zu verwandeln (womit ich im Jahr 1997, glaube ich zumindest, in die Geschichte des SV Aspern eingegangen bin)? Sie, die mich nach einer meiner bösesten Tennisniederlagen (10:12 im Tie-Break des dritten Satzes beim Kärntner Seekröten-Cup) ernsthaft mit den Worten tröstete: „Macht doch nix, ist ja nur ein Spiel“. Sie, die durch die Wälder spaziert und durch die Auen läuft, und das, von jedem Ehrgeiz befreit „einfach nur so“ tut. Dabei vermute ich, dass sie diese Gleichmut-Duselei ausschließlich entwickelt hat, um sich nur ja nie den Regungen einer Verliererin aussetzen zu müssen. Deshalb habe ich diesmal erst recht zu ihr gesagt: „Am Sonntag ist EM-Finale, also komm, los, wetten wir, wer gewinnt.“ Aber sie hat nur stoisch geantwortet: „Wozu?“ Eh klar. Aber mir egal. Wett’ ich halt mit mir selbst.
Tipp: Paaradox auf der Summerstage am 24. Juli, 20 Uhr.
Twitter: @MHufnagl
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