Einkaufs- Lasten

Einkaufs- Lasten
Im Bioladen. Der Ausflug ins Tofu-Paradies als gefährlicher Grenzgang
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Dabei griff er zum Tofu, schmiss ihn zurück ins Regal und sagte: Mit mir nicht.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Als Beobachterin des Mannes nebenan habe ich mich zur Körpersprachexpertin entwickelt. Ich weiß, wann ich besser nix sagen sollte – indem ich etwa die Falten zwischen seinen Augen zähle. Ist es nur eine Zornesfalte, dann geht noch was. Sind es zwei, wäre Rückzug angesagt, aber weil ich darauf pfeife, werden es meist drei. Auch an der Position der Schultern kann ich seine Grundstimmung ablesen. Es gilt die Formel: Je höher, desto wäh. Ein Indiz für ausgeprägtes Unwohlgefühl und ausufernde Anspannung, wie sie etwa eintritt, wenn die falsche Fußballelf zu siegen droht. Oder eine Tomate auf seinem Grillteller herumkugelt.

Würstel, vegan

Erst unlängst hatte ich wieder die Gelegenheit für eine Studie dieser Art. Wir hatten etwas auf der Mahü zu erledigen, danach zerrte ich ihn in einen Bioladen. Er hatte also keine Zeit für das obligate Duhu, ich bleib inzwischen draußen stehen. Je tiefer wir vordrangen, desto höher seine Schultern. Auch die Erste von drei Zornesfalten deutete sich an, zumal ich beim Regal „Vegane Würstel“ herumfingerte. Das ist aber jetzt net dei Ernst? fragte er, während sich die zweite und dritte Zornesfalte dezent abzuzeichnen begannen. Die Mundwinkel zeigten nach Süden, der Blick erinnerte an verwundetes Wild. Ich konnte Angstschweiß wittern. Das fand ich allerdings so interessant, dass ich eine Packung Tofu ins Körberl plumpsen ließ. Dazu sprach ich: Das wird ein Festessen! Nun sah ich, was ich noch nie zuvor gesehen hatte: eine vierte Zornesfalte. Er murmelte ein Ich bin der Michi, hol mich hier raus. Dabei griff er zum Tofu, schmiss ihn zurück ins Regal und sagte: Mit mir nicht. „War ja nur Spaß“, lachte ich, doch da war’s schon zu spät. Er verließ das Geschäft und ich fand ihn erst nach längerer Suche beim Hotdog-Stand wieder.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Es gibt selbstverständlich einen sehr guten Grund, warum ich stets aufs Neue mit schweren Einkaufstaschen geschultert durch den Bezirk trotte wie einst Tenzing Norgay auf den Mount Everest. Warum ich beim mühsamen Aufstöbern der Waren und beim Warten an der (falschen) Kasse lieber ganz alleine bin. Sowie beim verhassten Neuner-Ritual (1. Alles Zeug abstellen, 2. Tür sperren bzw. öffnen, 3. Alles Zeug wieder aufnehmen, das Ganze drei Mal). Ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, einsam, aber artgerecht vor mich hin fluchen zu dürfen. Es kann dementsprechend garantiert keine einzige Studie auf dieser weiten Welt geben, derzufolge Eheleuten geraten wird, allen Ernstes gemeinsam (!) einkaufen zu gehen. Das geht sich nicht aus. An keinem Ort. Zu keinem Zeitpunkt. Und in keiner Kultur. Das haben gefühlsmäßig auch alle vernünftigen Menschen begriffen.

Seilschaft

Außer meine Frau. Die spaziert auch nach geschätzten 79 Expeditionen, im Zuge derer wir als Seilschaft auf dem Weg zum Gipfel der Einkaufslust grandios gescheitert sind, noch immer regelmäßig durchs Wohnzimmer und lässt sich Argumente für ein Ausrücken im Duett einfallen. Warum ich beispielsweise unbedingt dabei sein sollte, wenn sie sich spontan neue Skischuhe einbildet (obwohl sie selbst genau weiß, dass so eine Weibifussischuhfindungsmission nicht ruck, zuck in zwei Stunden erledigt ist, sondern schon ein bissi länger dauern kann). Ich glaube daher, dass sie mit solchen zusätzlichen Abenteuern wie „nur einen kurzen Blick“ ins Vegan-Dings werfen, testen will, wie belastbar ich nach so vielen gemeinsamen Jahren noch bin. Oder sie ist als Tofurie auf der provokanten Themensuche für diese Kolumne. Aber das wäre im wahrsten Sinne wirklich geschmacklos.

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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