Die Last der Liste

Die Last der Liste
Einkaufen: Sie hat die Idee, und er besorgt die Zutaten ... oder vielleicht auch nicht.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Wenn ich einkaufen bin, dann lege ich das generalstabsmäßig an.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Ich war irritiert, als ich das Packerl mit der Aufschrift „Bio Kräuterseitlinge“ in der Küche liegen sah. Schließlich war es der Mann nebenan gewesen, der sich offenbar beim Bummel im Supermarkt für die Schwammerln entschieden hatte. Das war äußerst ungewöhnlich. Denn meist verlaufen seine Jagdausflüge in die Lebensmittelabteilung so: Ich schreibe ihm eine Einkaufsliste, er bringt davon nur zwei Drittel mit, weil er den Rest nicht findet oder als grauslich empfindet. Daher wirft er nach Bauchgefühl seine Bären-Auslese in den Korb: oft fette Erdnusslocken, gerne mehrere Tafeln Schokolade und: Cocktailsoße. Die nämlich landet bei ihm nahezu überall als Gatsch-Garnitur auf dem Teller, einzige Ausnahme: Palatschinken und Honigbrot.

Tofu und Glückstee

Und jetzt die Kräuterseitlinge! Ich wurde unruhig. War eine Kräuterseitlingsfee in sein Leben getreten, der er mit dem Kräuterseitlingsankauf imponieren wollte? Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn beim siebengängigen Tofu-Degustationsmenü für zwei sitzen, dazu: Glückstee. Und frisch frittierte Seitlinge, die man einander in den Mund schob. Pfuh! Ich musste das dringend klären. Und versuchte meine diesbezügliche Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen: „Duhu, wieso die Kräuterseitlinge?“ Ich hörte ihn seufzen. Mein Herz stolperte. Dann sprach er: „Die von dir gewünschten Champignons waren aus. Ich dachte mir, bevor ich dir gar nix bringe, bringe ich dir halt die Seitlinge. Ja, auch das ist Liebe.“ Nun geschah etwas Seltenes: Ich war sprachlos. Nicht nur: Heimlich hatte ich auch ein schlechtes Gewissen.

Lesungen: 18. 11. Stadtgalerie Mödling, 25. 11. Langenlois, 28. 11. Rabenhof, 7. & 8. 12. Klosterneuburg, Wilheringerhof

gabriele.kuhn@kurier.at

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Er

Natürlich kenne ich die Supermärkte in unserer Nähe alle bis in die letzten Winkel. Ich würde sogar blind Mandelmilch, Mungobohnensprossen und Abschminktücher finden, obwohl ich ich sie eher nicht in Verwendung bringe. Aber ich habe mich im Laufe der Jahre mit einer speziellen inneren Balance in die Regalsysteme eingeordnet. Und ich werde daher von panischer Unruhe erfasst, wenn Filialleiter plötzlich befinden, dass es Zeit sei, die Stellplätze von Dinkelflocken und Getränken wie Schlafgutträumschöntee zu tauschen. Wenn ich einkaufen bin, dann lege ich das generalstabsmäßig mit fein durchdachten Wegestrategien an (ich gehöre übrigens auch nicht zu jenen Blockade-Kunden, die meinen, sie müssten ihre Wagerln in jede noch so winzige Ecke mitnehmen, weil ihnen sonst womöglich jemand die Stangensellerie stibitzt).

21 Becher

Faktum ist, dass auf gnä Kuhns Einkaufslisten stets Dinge stehen, von deren Existenz ich zuvor nichts geahnt hatte. Und deren Besorgung lässt sich eben oft nicht mit meinem Grundsatz vereinbaren, nämlich: Was ich nicht sofort finde, gibt es nicht. Beziehungsweise, das ist die Übersetzung für daheim: „Magnolien-Duschgel war leider aus.“ Zudem lese ich oft Sachen wie „Joghurt“, und ich darf dann vor dem Kühlregal stehen und sinnieren, ob sie wohl bewusst die Einzahl verwendet hat, oder ob es doch 3, 8 oder 21 Becher sein sollen. Was ich unlängst jedoch spürte: Kräuterseitlinge statt Champignons zu nehmen und mich mit der Spontan-Aura der Inspiration zu veredeln, würde die Liebste fix beeindrucken. Ja, ich kann auch anders. Ich Romantik-Schwammerl.

Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“: 17. 11. St. Pölten. 21. 11. und 12. 12. Wien (Studio Akzent)

michael.hufnagl@kurier.at

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