Der Klingelton macht die Musik

Der Klingelton macht die Musik
Taktgefühle. Wenn das neue Smartphone die eheliche Harmonie auf die Probe stellt
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Nicht auszudenken, würde dieser Irrsinn täglich in mein Leben klingeln.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Der Mann nebenan hat sich ein neues Handy zugelegt. Das alleine wäre keine Story. Die entwickelte sich zwei Tage danach – als er mit mir beim Frühstück saß. Wie immer starrte er auf den Bildschirm und schrak wie immer irritiert hoch, als ich ihn um die Butter bat. Ja, ich weiß schon, dass so ein banales Butterpackerl-Anliegen im Vergleich zu seiner Twitter- oder Facebook-Timeline total abstinkt – aber es gibt halt noch ein soziales Leben nach bzw. neben Social Media. Doch das ist ebenfalls noch nicht die G’schicht.

Unanständiges, Darling?

Sie begann, als er mich darum bat, ihn anzurufen. Was mich insoferne verstörte, als ich nicht nachvollziehen konnte, warum ich den Mann, der mir gegenübersaß und dem ich gerade das Butterpackerl gereicht hatte, telefonisch kontaktieren soll. Ich fragte: Na Schatz, hast du was Unanständiges vor? Möglicherweise hatte er ja in seinem Handy gerade „99 prickelnde Ehe-Tipps“ gelesen und sich für Tipp 3 entschieden: „Überraschen Sie Ihre Frau beim Frühstück mit Dirty Talk am Telefon.“ Auch wenn mir nicht ganz klar war, wie sich ein Dirty-Telefon-Talk gestaltet, während man parallel dazu Butterbrote schmiert, tippte ich die Schatzi-Nummer. Als es bei ihm läutete, war klar: nix Erotik, stattdessen ein neuer Klingelton. Und zwar von: Iron! Maiden! Wer damit nix anfangen kann: Das ist eine Heavy-Metal-Band. Und deren Klingelton „The Trooper“ löst bei mir akute Migräne aus, bei ihm das pure Bubenglück. Nicht auszudenken, würde dieser Irrsinn täglich in mein Leben klingeln. Daher sagte ich nur: Wenn du diesen Klingelton behältst, werde ich ab sofort täglich mit Last Christmas aufwachen und mit Last Christmas schlafen gehen. Und dazwischen Last Christmas hören. Und das ganzjährig. Sein Klingelton ist übrigens jetzt „Für Elise.“

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Er

Es ist völlig verständlich, dass sich die Liebste über meine Affinität zur handlichen Recherche lustig macht. Denn ihr ist dieses Gefühl der Nähe zum Smartphone unfreiwillig fremd, da sie die meiste Zeit damit beschäftigt ist, selbiges zu suchen. Zumindest hat die Frage „Hast du irgendwo mein Handy gesehen?“ rein gefühlsmäßig in ihrer Häufigkeit sogar schon „Hast du eh Milch gekauft?“ und „Hast du der Mimi schon was zum Fressen gegeben?“ überflügelt. Es handelt sich dabei um ein Phänomen der Kategorie „as kuhn as possible“, das wohl kein Wissenschaftler dieser Welt erklären könnte. Meine Frau weiß nämlich bitte immer (!), wo alles (!) ist, außer im Falle ihres Handys. Vermutlich kann das nur ein sehr gewitzter Psychologe aus dem komplexen Fachbereich „unbewusste Verlegungsstrategien“ lösen. Denn wir fanden ihr iPhone zuletzt im Zeitungskorb, am Waschbeckenrand oder auch im Kühlschrank (gut versteckt hinter dem Liptauer).

Provokation

Umso neidischer war sie daher, mich dabei beobachten zu müssen, wie ich (wenn auch zart fluchend) mein altes Leben mit meinem neuen Handy synchronisierte. Im Zuge dessen überlegte ich kurz, mir als Klingelton die Titelmelodie von „Der Gott des Gemetzels“ zu installieren. Während ich ihren Vorschlag („Nimm doch ,Für Gabi tu’ ich alles‘ von den Toten Hosen“) routiniert überhörte. Zwischenzeitlich lud ich dann tatsächlich eines der vielen grandiosen Gitarren-Riffs von Iron Maiden herunter. Allerdings wirklich nur, um einen kuhnschen Entgeisterungsblick zu provozieren. Denn ganz ehrlich: Den gönn’ ich mir gelegentlich sehr gerne.

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte: 13. 12. in Mödling (Stadtgalerie), 15. 12. im Wiener Rabenhof, 31. 12. in Klosterneuburg (Babenbergerhalle, Silvester-Special).

michael.hufnagl@kurier.at

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