Man gönnt sich ja sonst nichts

Romantisch. Oder?
Ein bisschen Häme tut der Liebe gut. Es kann ja nicht jeden Tag die Sonne scheinen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Wir sind ehrlich und haben den Mut, einander auch einmal nicht so exzessiv zu mögen.

von Gabriele Kuhn

über ein bisschen Häme in der Lieb

Sie

Es gibt den Archetypus des „Herzibinki“-Paares. Das sind Frauen und Männer, zwischen die – auf den ersten Blick – kein Blatt Papier passt. Die picken aneinander, die herzen einander, die hätscheln und tätscheln und busseln und tirilieren. Ich habe da eine ziemlich präzise Vermutung: Solche Leute frühstücken morgens Kreide, schlucken mittags halluzinogene Drogen und rauchen nachmittags eine leicht angereicherte Shisha, damit sie so drauf sein können. Oder aber sie lügen – sich selbst in die Tasche und andere an.

Oioioi

Der Mann nebenan und ich gehören so gar nicht in diese Kategorie. Wir sind ehrlich und haben den Mut, einander auch einmal nicht so exzessiv zu mögen. Was interessanterweise dazu führt, dass wir uns die meiste Zeit sehr zugetan sind. Also hätschle ich meine kleinen Bösartigkeiten. Jüngst etwa habe ich mir ein großes, befriedigendes, inneres Ätsch! erlaubt, als ich folgende Meldung las: „Kein Wetter für Fußballspiele – die aktuellen Witterungsverhältnisse haben den Verantwortlichen am Dienstag einen Strich durch die Rechnung gemacht. Von den insgesamt sechs in tipp3-Bundesliga und Erster Liga angesetzten Spielen kann nur die Partie FC LustenauSt. Pölten stattfinden.“ Ich gebe zu, ich hatte fast einen Höhepunkt, als ich diese Meldung las. Der arme Michi ohne Bundesliga! Oioioi. Das kommt gleich nach „Der arme Michi ohne tierisches Eiweiß“ oder „Der arme Michi auf Golfreise im Süden, aber leider: sehr viel Regen.“

Ich sage: Häme ist die Himbeermarmelade auf dem feinen Buttertoast meines ehelichen Alltags – das gebe ich an dieser Stelle offenen Herzens zu. Denn so, wie ich mir kurz „vergunnt“ denke, wenn er so manches Jammertal banaler Männersorgen durchschreitet, bin ich an seiner Seite. Dann, wenn’s wirklich drauf ankommt.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ich liebe die Szene aus Loriots „Pappa ante portas“: Die Schwägerin und ihr Mann sitzen im Zug, tauschen verliebte Blicke aus und schwärmen von ihrer Eintracht. Sie: „Hellmuth weiß in diesen Dingen immer so gut Bescheid.“ Er: „Nein, nein, wir ergänzen uns nur sehr gut. Ich freue mich immer, wenn Hedwig was besser weiß.“ Sie: „Du Guter“. Und spätestens bei ihrer Erkenntnis Mir ist eigentlich immer wohl. Nur wenn dir nicht wohl ist, ist mir auch nicht wohl betrachte ich die Fähigkeit zum Streit, bei dem die Fetzen fliegen, als Geschenk.

Wobei unsere Meinungsverschiedenheiten klarerweise immer nach demselben Strickmuster ablaufen: Es wird so lange wortgewaltig darum gerangelt, wer an der jeweiligen Misere schuld ist, bis der Erste von uns sagt: „Es geht doch gar nicht um die Schuldfrage.“ Nein? Sondern? Na gut. Dann haben wir eben nur der Versöhnung wegen gestritten.

Machtspiel

Was bleibt, sind die kleinen Gemeinheiten, die mitunter sehr subtil ablaufen können. Denn Partnerschaft ist auch immer ein kleines Machtspiel – wer ist klüger oder gelassener bzw. ang’rührter oder aufgeregter. Ich z. B. lasse meine Frau seit Jahren im Glauben, mir wäre Österreichs Bundesliga wichtig. Das verschafft mir im Falle von Versäumnis zwar – wie in dieser Woche – Häme, aber strategisch betrachtet dennoch einen Mitleidsbonus für (wichtigere) Ernstfälle.

Mir hingegen ist Missgunst fremd. Im Bösesten meiner Sinne gönne ich ihr nur widerlegtes Klugscheißen. Das dafür mit einem umso lauteren „Ha! Weil du partout nicht auf mich hörst!“ Etwa einen Megastau auf einer Straße, die sie entgegen meiner Routen-Idee als „hundertprozentig kürzesten Weg“ angepriesen hat. Da stehe ich dann gerne sinnlos herum. Und genieße es, wie sie den Blickkontakt mit mir vermeidet und sagt: „Das darf doch einfach nicht wahr sein!“

Twitter: @MHufnagl

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