Eine Frage der Taktik

Eine Frage der Taktik
An Haus-Ordnung und Wegräummoral scheiden sich die Ehe-Geister.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Es gibt Schlimmeres als so ein paar depperte Zeitungen auf dem Esstisch!

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

"Familienkonferenz". So hieß ein Buch von Thomas Gordon, das ich einst als Jung-Mama entdeckt hatte. Darin stand, man solle seinen Kindern niemals mit "Du sollst", sondern eher mit einem "Ich wünsche mir von dir, dass ..." kommen. Fortan säuselte ich hochkonsensuell herum: "Ich wünsche mir von dir, dass du das schimmelige Brot aus der Schultasche entfernst und dazu auch gleich alle angegammelten Hefte." Ich kann mich gut erinnern, dass mich das Kind erst erstaunt ansah, um dann in aller Ruhe erst nicht das zu machen, was sich die doofe Mami wünschte. Das geschah friedvoll – auf den ersten Blick. In mir sah es anders aus: Ich fühlte mich verarscht und wünschte Mr. Gordon nichts Schönes.

Eine Strategie?

Vor Kurzem fiel mir das Buch wieder in die Hände und ich dachte: Vielleicht hilft die Strategie beim Mann nebenan. Und fing zu heucheln an: "Ich wäre angetan, könntest du deine dreckigen Hemden vom Esstisch entfernen und allenfalls auch die Socken am Boden unseres Boudoirs. Kuss!" Aber, sieh an: Je höflicher, desto nix. Im Gegenteil, er reagierte mit zynischen Antworten in verachtender Du-Form: Du sprichst schon wie meine Mutter. Das hört keine Frau gerne. Deshalb wechselte ich elastisch zur etwas allgemeineren "Kann-man-Form": Kann man endlich das Altglas entsorgen? Um allenfalls ein wenig Schärfe und Entschlossenheit zu signalisieren, formulierte ich es drastischer, etwa: "Blödes Altglas", "endlich entsorgen" oder "kann irgendein Trottel ...". Seither wirft er mir manipulativ-fiese Kommunikation vor: Kann man! Kann man! Kann man! Ich bin ja nicht der Butler aus Downton Abbey (britische Adelshaus-TV-Serie). Fazit: Alles beim Alten – der grundehrlichen Du-Botschaft: "Du räumst deinen Scheiß weg. Jetzt." Der Effekt: Man streitet, aber der Scheiß ist in den meisten Fällen dann auch wirklich futsch.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Meine Frau denkt mit Vorliebe darüber nach, ob sie meine fehlende Wegräummoral mit Ich-Botschaften, Man-Botschaften oder doch im verzweifelten Befehlston bekämpfen soll. Statt sich zu überlegen, diese drei Varianten bei sich selbst zu erproben. Ihre wohlformulierte Ich-Botschaft vor dem Spiegel müsste also heißen: "Liebe Gaby, ich wünsche mir von Herzen, dass du nicht jeden herumliegenden Socken mit Verzweiflungsgesten im Ausmaß eines Hypo-Desasters kommentierst." Die Man-Botschaft wiederum könnte sein: "Gabyschatz, also ehrlich, ich finde, man kann doch über so eine Petitesse unmöglich eine Kolumne schreiben." Und der Befehl sollte lauten: "Gaby! Entspann dich! Es gibt Schlimmeres als so ein paar depperte Zeitungen auf dem Esstisch!" Gut dazupassen würde auch der Nachsatz "Und dein Mann ist doch ein Geschenk des Himmels" – aber ich will in dieser hochsensiblen Angelegenheit keinesfalls übertreiben.

Der Gang in den Keller

Entscheidend ist aber, dass es in den meisten Wegräumfällen nicht um das Wie und Wann geht, sondern vor allem um das Warum. Erst unlängst stand bei meinem Nachtkasterl eine schmale Reisetasche, in der sich allerlei Magazine befanden, ein Überbleibsel aus den Semesterferien. Mich störte das nicht. Im Gegenteil: Nach einiger Zeit sah ich das Kleinod gar nicht mehr. Für meine Ordnungshüterin allerdings war da etwas, was da nicht hingehörte. Wie ein Körnchen im

tränenden Auge. Folglich packte sie eine Strategie nach der anderen aus, um mich zum für sie erlösenden Gang in den Keller zu bewegen (mit einer Ausnahme, nämlich diesen selbst anzutreten). Bis das Ding eines Tages unter meinem Polster lag, samt Post-it: "Ich bitte dich, hilf mir. Ich vermisse meine Taschenfreunde so sehr." Das war überzeugend. Es kommt offenbar darauf an, wer die Ich-Botschaft aussendet.

Twitter: @MHufnagl

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