Immer, wenn es kalt ist

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ja, Kälte kann brüllen.

von Guido Tartarotti

über das Armsein und die Kälte.

Winter 1986, 20 Grad minus. Zwei Gymnasiasten, jung, voller Lebensneugier und naiver Arroganz, beschließen, es sei Zeit, etwas richtig Gutes zu tun. Da sie nicht recht wissen, wie das geht, fragen sie den Pfarrer. Der erzählt ihnen von einer „wirklich armen alten Frau“, die einsam sei und sich über einen Besuch freuen würde.

Damit hat er recht. Die alte Frau ist außer sich vor Freude, vor allem über die mitgebrachten Kekse. Es dauert ein wenig, bis die Gymnasiasten begreifen, warum: Kekse bedeuten Kalorien. Die alte Frau ernährt sich offenbar von Katzenfutter.

Die Gymnasiasten verlieren sehr schnell ihre naseweise, selbstgerechte Gutes-tun-Haltung. Die alte Frau lebt in Verhältnissen, die sie für unmöglich gehalten haben – in einem elenden Kellerloch, Zeitungsstapel ersetzen ihr die Möbel, es ist brüllend kalt in dem Raum (ja, Kälte kann brüllen).

Nach etwa zwei Stunden gingen die Gymnasiasten wieder, zurück in ihre gut beheizten Wohlstandsleben, waren froh und gleichzeitig beschämt. Und immer, wenn es sehr kalt ist, werden sie sich an dieses Gefühl erinnern.

Info: Caritas-Kältetelefon: 01 480 45 53 - rund um die Uhr besetzt.

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