Noch normal?
Und? Sind Sie noch normal? Oder schon krank? In einer Welt, in der jedes Aus-der-Reihe-Tanzen vorsichtshalber mit einem Krankheitsetikett versehen wird. Das neue Diagnostik-Handbuch der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft hat soeben weitere Stimmungsunregelmäßigkeiten in den Krankheitsstand erhoben: etwa heftige kindliche Wutausbrüche. Mit dem bedrohlichen Titel Disruptive Mood Dysregulation Disorder („Zerstörerische Stimmungsdysregulierungserkrankung“) versehen, wird daraus ein Krankheitsbild. Die Frage, ob die Kindheit heute überreguliert ist und Kinder mit „Stimmungsdysregulierung“ reagieren, wird nicht gestellt. Ebenfalls neu ist die Pathologisierung der Trauer: Wer mehr als zwei Wochen um einen nahestehenden Menschen trauert, wird als krank eingestuft. Ebenso, wer „PMS“ (Stimmungsschwankungen vor der Monatsblutung) oder das „Messie -Syndrom“ (Hortungszwang) aufweist.
Fazit: Wer nicht „normal“ ist, muss krank sein und sollte rasch angepasst werden. Das klingt, als wäre nicht der Einzelne, sondern die Gesellschaft krank.
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