Wien, Wien, nur du allein
Manchmal ist es schön, die Stadt mit den Augen von Fremden sehen.
Manchmal ist es schön, die Stadt mit den Augen von Fremden sehen. Freunde sind angereist, aus der Schweiz, sie treffen einen Tag früher als erwartet in Wien ein, und sie haben Hunger. Was für ein Hunger? Eher ein gutbürgerlich-wienerischer Hunger. Gut; man reserviert in einem besseren der vielen eher gutbürgerlich-wienerischen Gasthäuser, bekommt einen Tisch, und den Schweizer Freunden, als sie eintreffen, gefällt es gleich: der hohe Raum, die dunkle, alte Holz-Lamperie, die Tische mit den weißen Tüchern. Die Mischung der Gäste, der unkomplizierte, aufmerksame Service, die Karte, auf der das Wiener Schnitzel "selbstverständlich" vom Schwein ist, "wir sind ein Wirtshaus, kein Touristen-Lokal". (Sagt der Kellner, der ein paar Minuten zuvor dem italienischen Paar am Nebentisch die Karte freundlich und geduldig ins Italienische übersetzt hat.)
Ausgezeichnetes Essen, guter Wein, feine Atmosphäre, bunte Gesellschaft, und auf der Rechnung ein für Schweizer Verhältnisse grotesk niedriger Betrag ("Der hat sich sicher nicht verrechnet??" Nein, hat er nicht.) Die Freunde sind glücklich, so stellt man sich Wien immer vor, genau so soll das sein.
Und auch man selber freut sich, wenn es einmal wirklich so ist, wie an diesem Ort und an diesem Abend: ein bilderbuchmäßig typisch wienerisches Wien, in der genau richtigen Dosis, auf eine angenehme, authentische, ungespritzte, unangestrengte, stimmige Weise.
Danach werkelt man noch bis Mitternacht in der Küche herum, hört dabei Ö1 und zweifelt dann Minuten lang, ob man wirklich noch auf dieser Welt und am Leben ist, oder ob man irrtümlich und unbemerkt in eine andere Dimension versetzt wurde. Was machen die da? Was reden die bitte? Verschiedene Leute plaudern durcheinander, über vollkommen verrücktes Zeug, man versucht zu begreifen, worum es eigentlich geht, und worüber die da reden und kommt zu keinem Ergebnis. Und dass das möglich ist: Auch das ist schön; hier, daheim, in Wien.
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