Eine Frau, nachts, allein in einem Zug

Doris Knecht

Doris Knecht

Dass man als Frau in einem österreichischen Zug mit so etwas offenbar rechnen muss: Das ist beunruhigend.

von Doris Knecht

über einen Vorfall im ÖBB-Zug

Die Geschichte, die ich heute erzähle, hat mich wirklich bedrückt. Zuerst: Es geht nicht darum, eine Person an den Pranger zu stellen. Es geht um etwas Prinzipielles. Es geht darum, dass alles unternommen wird, dass so etwas nicht mehr passieren kann. In diesem Fall von den ÖBB, über die ich seit Längerem ausschließlich Positives berichtet habe, aber diesmal leider nicht.

Marie E., 21 Jahre alt, fuhr kürzlich allein mit dem Abendzug nach Wien. Um 22 Uhr stieg in Salzburg eine Gruppe von zwölf Männern zu, alle ziemlich stark angetrunken. Die Männer setzten sich ausgerechnet zu ihr und hörten laut Musik. Die junge Frau bat, die Musik leiser zu stellen, die Männer ignorierten das und begannen stattdessen, die 21-Jährige zu beschimpfen und, so Frau E. in ihrem Mail, "zu grölen, wie sie Frauen verprügelten und sexuell missbrauchten". Die junge Frau fühlte sich belästigt und sehr verunsichert. In ihrer Angst bat sie den Zugbegleiter um Hilfe. Und was dann geschah, ist wirklich verstörend.

Denn dieser habe, ich zitiere Frau E., Folgendes gesagt: "Das ist die österreichische Kultur, da kann ich nichts machen". Ich möchte das wiederholen: Wenn Betrunkene eine junge Frau belästigen, gilt das in manchen Köpfen als "österreichische Kultur". Als sich auch andere Fahrgäste über die Männer beschwerten, habe der Zugbegleiter mit diesen gescherzt, schreibt Frau E., "was sie dazu animierte, frauenfeindliche Bemerkungen in meine Richtung zu brüllen".

Erst nach mehreren Aufforderungen auch anderer Fahrgäste habe der Zugbegleiter schließlich neue Plätze für die Männer gefunden, nicht ohne der jungen Frau "sein mangelndes Verständnis für meine Verzweiflung zu zeigen". Zu der Betrunkenen-Gruppe habe er gemeint, "er verstehe so manche unentspannte Frauen auch nicht". Sie sei, schreibt Frau E., normalerweise kein ängstlicher Mensch, aber das habe sie zutiefst erschüttert.

Mich auch. Dass man als Frau in einem österreichischen Zug mit so etwas offenbar rechnen muss: Das ist beunruhigend.

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