Da braucht jemand sehr viel Kraft
Da braucht jemand sehr viel Kraft.
Noch eins zu Conchita. Man muss das nicht großartig finden, was Conchita macht, man kann daran alles mögliche kritisch beäugen: die Stimme, das Mainstream-Liedgut, das Frauenbild, das sie verkörpert. Wie in der Travestie allgemein üblich, wenig überraschend deshalb, weil es die größtmögliche Differenz zum noch immer gängigen Männlichkeitsklischee bildet. Wenn sich Hipster-Männer (Röhrenhosen, kariertes Hemd, Nerdbrille) als Hipster-Frauen (Röhrenhosen, kariertes Hemd, Nerdbrille) verkleiden würden, wäre das – und das ist schon gut so, weil ein Zeichen des Fortschritts in der Gleichberechtigung der Geschlechter –, fürs Varieté eher unbrauchbar. Jetzt einmal abgesehen von den bei Hipster-Männern so beliebten Vollbärten.
Und da sind wir wieder bei Conchita. Ihr Bart definiert den Unterschied zur üblichen Travestie, in der es darum geht, alle vermeintlich männlichen durch sog. weibliche Attribute zu ersetzen. Conchita macht das nicht. Sie ergänzt. Sie ist eine Mann-Frau und ein Frau-Mann. In ihr vermischen sich die Geschlechter, verwischen die Unterschiede. Und gerade das Unernste darin, die zwinkernde Heiterkeit, mit der damit ein durchaus ernsthaftes Anliegen transportiert wird, macht es so sympathisch. Da ist kein Bestemm darin, nichts Sektiererisches und kein Milligramm Aggression.
Umso unverständlicher die Welle von Hass und Intoleranz, die Conchita Wurst dafür überrollt. Es ist für eine einzelne Person schwer, so viel Hass auszuhalten. Das braucht viel Stärke, Kraft, gute, sehr gute Freunde. Und ein großes Maß an Gelassenheit: Sie könne, schreibt Conchita (heute Abend zu Gast in „Willkommen Österreich“) auf ihrer Facebook-Seite an die Fans der Anti-Conchita-Seite, „wirklich gut damit leben“, dass mit ihrer Person nicht jeder etwas anfangen könne. Aber: „Wie würde es euch gehen, wenn eure Freunde, Verwandten, Kinder, Kollegen usw. auf diese Weise beschimpft werden?“ Oder sie selber? Die Initiatoren der Anti-Conchita-Seite sollten das dringend bedenken.
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