Der Teamgeist entscheidet Turniere

Nach dem Skandal von 2010 präsentiert sich Frankreich als echtes Team. Auch die Holländer lösten ihre Ego-Probleme.
Jan Åge Fjørtoft

Jan Åge Fjørtoft

Wir Norweger hatten in den 1990er-Jahren viele Erfolge gegen bessere Gegner

von Jan Åge Fjørtoft

über die Wichtigkeit des Teamgeists

Streitereien gehören dazu. Wenn zwei Dutzend Männer wochenlang zusammenpicken und dabei auch noch unter Leistungsdruck stehen, kann es schon krachen. Sogar die professionellen Deutschen hatten ihre WM-Skandale, so flog etwa Tormann Uli Stein 1986 raus. 1974 gelang sogar der Titel, obwohl die Spieler sicher nicht elf Freunde waren. Grundsätzlich gilt: Wenn die Qualität im Team nicht so hoch ist, muss der Zusammenhalt umso stärker sein.

Wir Norweger hatten in den 1990er-Jahren viele Erfolge gegen bessere Gegner – weil unser Teamgeist fantastisch war.

Diesen Aspekt versuche ich in meinem neuen Job als Teammanager bei der norwegischen Nationalmannschaft wieder zu verstärken. Jeder Spieler soll Freude empfinden, wenn er von seinem Land einberufen wird.

Dieses Gefühl hatte ich zuletzt auch wieder bei den Franzosen: Ihr 4:0-Sieg gegen uns Ende Mai war nicht nur sportlich beeindruckend. Auch der vermittelte Einsatzwille und die spürbare Harmonie auf dem Feld begeisterte die Franzosen.

Genau diese Attribute haben Les Bleus 2010 vermissen lassen. Streitereien bis zum Exzess, die Entmachtung des Trainers – das war eine Schande fürs ganze Land. Jetzt forciert Teamchef Deschamps den Mannschaftsgeist. Vielleicht rücken sie durch Ribérys Ausfall noch näher zusammen – auch wenn er ihnen in K.-o.-Partien als Spieler für Entscheidendes abgehen wird.

Natürlich braucht jede Mannschaft ein bis zwei Enfants terribles. Und Harmonie heißt nicht, dass alle nett sein müssen. Es geht dabei immer um Respekt und Verständnis. Schon vor dem famosen Auftakt der Niederländer habe ich mir überlegt, dieses Team als Beispiel für einen positiven Wandel anzuführen. Van Gaal hat ganz bewusst einige Stars geopfert, um nur noch die beiden schwierigen Typen Van Persie und Robben als echte Leader aufbieten zu können. Der alte Trainer-Fuchs hat sich da ganz genau überlegt, wer mit wem zusammenpasst, während früher bei den Holländern immer nur enorme individuelle Qualität ohne Gespür für das Ganze aufgeboten wurde.

Die größte individuelle Qualität bei den Franzosen sehe ich übrigens bei Paul Pogba. Der 21-Jährige ist ein Symbol für die schlechte Transferpolitik von Manchester United. Weil Ferguson lieber Scholes reaktivierte, anstatt ihn zu forcieren, ist er nach Turin geflüchtet. Jetzt ist Pogba ein Star bei Juve.

Jan Aage Fjörtoft ist Experte für den TV-Sender Sky. Sky Sport News HD berichtet während der WM rund um die Uhr live aus Brasilien und ist mit Sky Go auch unterwegs empfangbar: www.skygo.sky.at

@JanAageFjortoft

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