Medienlogik und Naidoo

Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Auf eine undurchdachte Entscheidung folgte eine feige.

von Philipp Wilhelmer

Über das ESC-Debakel rund um Xavier Naidoo:

Man kann (kolportierte) 70.000 Euro schlechter anlegen: Am Samstag erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein ganzseitiges Inserat mit dem Titel „Menschen für Xavier Naidoo“. Von A wie Adorf bis Z wie Zimmermann wurden dort prominente Namen gedruckt, die offenkundig zur Unterstützung des Dann-doch-nicht-ESC-Kandidaten Naidoo aufriefen.

Mit der Aktion, hinter der mutmaßlich Naidoos Konzertagent Marek Lieberberg steckt, ist einmal mehr deutlich geworden, wer im Debakel um die deutsche Song-Contest-Kandidatur die Lufthoheit hat. Die austragende Anstalt ARD ist es nicht. Deren Landesstudio NDR hatte Naidoo zunächst ohne weiteres Prozedere nominiert und war mit Protesten konfrontiert gewesen. Binnen weniger Tage beugte man sich dem Druck und stornierte Naidoos Ticket für Stockholm 2016 wieder.

Auf eine undurchdachte Entscheidung folgte eine feige. Mehr braucht es nicht für einen Opfermythos. Naidoo ist zwar ein Wirrkopf, dessen Symbolwirkung beim Toleranzfest ESC fragwürdig ist – echte Vergehen konnte man dem Sänger bisher noch nicht nachweisen, auch wenn er mit Einzelzitaten breite Flanken öffnete.

Haltlosigkeit wird in der Öffentlichkeit bestraft: Jetzt spricht Deutschland über die wahrlich prominente Front an Unterstützern, die sich für Naidoo stark macht. Die alte Medienlogik für den Umgang mit Skandalen – anschauen, draufsteigen, weiterlatschen – wurde außer Kraft gesetzt.

Eine Verschwörung. Für Naidoo.

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