Klangwolke

In zwei Monaten feiert Yvonne Jurmann ihren 90. Geburtstag. Sie war mit Walter Jurmann verheiratet, dem Schöpfer von Gassenhauern wie "Veronika, der Lenz ist da" oder "San Francisco", das Judy Garland immer am Ende ihrer Konzerte sang.

Im Studio der Familie Klingohr gab es nun ein Jurmann-Konzert. Herr Koreny spielte Klavier, Frau Klebow und Herr Bachofner sangen. Auf einmal geschah etwas Seltsames. Yvonne Jurmann sollte später sagen, dass es sie ungemein berührte, also was war geschehen?

Plötzlich erklangen Noten, die Herr Jurmann vor Jahrzehnten gesetzt hatte. Vielleicht hatte er sie vorher auf dem Klavier ausprobiert, in Einzelteile zerlegt, neu zusammengesetzt, alles wieder verworfen und dann endlich zu einem wohlklingenden Ergebnis zusammengefügt.

Das Erstaunliche an diesen einzelnen Melodien waren aber nicht ihre Zusammensetzung, ihr Takt, ihr Swing, ihr Nachklang, das Erstaunliche an den Einfällen Walter Jurmanns, der vor 43 Jahren verstarb, war, dass sie zum ersten Mal in den Ohren von Frau Jurmann erklangen.

Jawohl, einiges hatte sie noch nie zuvor gehört. Das muss eine ungemein intensive Erfahrung sein, ähnlich einem Bild, das der Ehemann einmal gemalt hat und das als verschollen galt, ähnlich einem Gedicht eines engsten Vertrauten, von dem man niemals Kenntnis hatte, ähnlich einer Postwurfsendung, die von der Post nicht mit gewohnter Verzögerung, sondern 43 Jahre zu spät zugestellt wurde.

Manche vernahmen in den Interspot-Studios einfach schöne Melodien, andere hörten viel, viel mehr.