Ges.m.b.H.: Zitatendrang

Ges.m.b.H.: DÖF
Karl Hohenlohe über Nikolaus Harnoncourts seltenes Lächeln
Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Noch bevor Herr Harnoncourt im Musikverein den Taktstock hob, drehte er sich zu mir – möglicherweise auch zum restlichen Publikum – und gab eine Programmänderung bekannt. Nein, entgegen der Vorankündigung würde man das eher triste Stück von Bach ein wenig später spielen, man könne diesen Abend nicht mit so etwas Traurigem beginnen. Die Menschen lächelten, sie hätten auch gelächelt, wenn er das Gegenteil gesagt hätte, aber wir lieben Herrn Harnoncourt, ungeachtet dessen, was er von sich gibt. Viele sind ja ganz vernarrt in seine eindringliche Physiognomie, in seine Blicke, die jeden Ton zu bannen scheinen, um ihn genau dorthin zu setzen, wo ihn der Komponist haben wollte. Herr Harnoncourt trug ein schwarzes Hemd mit Stehkragen, wie wir es von indischen Rechtsanwälten kennen.

Man sieht den Maestro nicht allzu oft lächeln und irgendwann einmal habe ich ihn gefragt: „Warum?“ Da lächelte er und verwies auf den Philosophen Nietzsche, der sich mit dem Spruch „Nicht durch Zorn, durch Lachen tötet man“ verewigt haben soll.

Ich war damals sehr beeindruckt, aber es ließ mir keine Ruhe, und so recherchierte ich und wurde bei „Also sprach Zarathustra fündig. Da steht: „Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich; es war der Geist der Schwere – durch ihn fallen alle Dinge. Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man. Auf, lasst uns den Geist der Schwere töten!“ Liest man das ganze Zitat, verkehrt sich die Harnoncourt’sche Deutung also ins Gegenteil. Dies spricht für den Maestro, denn die Unfehlbarkeit ist eine Zierde der Götter, der Irrtum aber schmückt jedes Genie.

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