Ges.m.b.H.: Profil-Neurose

Ges.m.b.H.: Profil-Neurose
Über Doppelgänger und eine Sehschwäche.
Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Schauplatz: das Restaurant "Steirereck" im Herzen der Bundeshauptstadt. Niemand wusste, was an diesem lauen Sommerabend mit ihm los war. Schon beim Hereinkommen hatte ich ihn gegrüßt, aber er sah durch mich hindurch, ganz so, als ob ich aus zartem Zellophan wäre. Gemeinhin kennt man ihn aus den Profil-Fernsehwerbespots, wo er erst im Profil, dann urplötzlich en face den Inhalt seines Blattes anpreist. Nein, Christian Rainer (Christian ist der Vorname, Anm. d. Red.), mit dem ich seit Jahren bekannt bin, war an diesem Abend wirklich nicht gut drauf. Vorsichtig pflügte er durch die Gästeschar und nahm dann im Kreise seiner Entourage, vier oder fünf Tische entfernt von mir Platz. Während der Vorspeise blickte er zu mir herüber, ich hob meine Hand, grüßte, aber es war wieder umsonst. Nun gab es nur mehr zwei Möglichkeiten: blind oder beleidigt. Ich setzte auf blind, grüßte während der Nachspeise, blieb aber Zellophan. Jetzt griff ich zum Telefon, wollte "Grüßen!" in den Hörer schreien, wählte seine Nummer und wurde mit der größten Entwürdigung bestraft, die einen Anrufer überhaupt ereilen kann - es läutete, aber er hob nicht ab. Dann überstürzten sich die Ereignisse, plötzlich meldete sich Dr. Christian Rainer, versicherte sehr glaubhaft, dass er gerade in seinem Büro vor dem Computer säße, in diesem Augenblick näherte sich der hinterfotzige Dr. Christian-Rainer-Doppelgänger, wollte wissen, ob wir bekannt wären und ich konnte ihn mit einem "I wo" in die Schranken weisen. Später zog meine Frau den Ankauf einer stärkeren Brille in Erwägung, aber da war der Abend schon gelaufen. Einladungen, Beschwerden, Hinweise: karl.hohenlohe(at)kurier.at

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