Ges.m.b.H.: Luftgeschäfte

Ges.m.b.H.: Luftgeschäfte
Karl Hohenlohe über kunstvolle Vögel.
Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Der Vogel war schon lange einfach so da gesessen. Einfach so da gesessen? Nein, der Vogel hatte in die Nacht hineingelauscht, Tschaikowski, Brahms, aber das wusste der Vogel nicht. Irgendwann entschloss sich der Vogel, den Mann, der da unten die Musik machte, zu belohnen. Vögel belohnen die Menschen dadurch, dass sie sich über ihnen entleeren. Hinten, nicht vorne. Die Menschen werten diese Entleerung als Gruß der Götter, als Zeichen des Himmels, als Omen des Glücks. Das wusste der Vogel, hob an, flog eine weite Kurve über das Schloss Grafenegg, dann Richtung Wolkenturm, positionierte sich genau über Rudolf Buchbinder und ließ Ballast ab. Ballast, der sich wegen der zuvor verzehrten Holunderbeeren hauptsächlich aus schwarzen Farbteilen zusammensetzte. Der Vogel war noch jung und etwas unerfahren, also verfehlte er Rudolf Buchbinder um ein paar Zentimeter und der schwarze Ballast landete auf einer weißen Taste. Dur wurde Moll. Es zeugt von übernatürlichem Geschick, diesen Vorfall während eines laufenden Konzertes zu kaschieren. Herr Buchbinder harrte aus, bei der nächstbesten Gelegenheit, schnippte er die Entleerung von der Taste und erfüllte den glühendsten Wunsch des Vogels, der Ballast setzte sich auf der Frackhose fest. Stunden später würde Rudolf Buchbinder bei Seitenblicke über diese Begebenheit referieren, während der Tatsachenschilderung strahlte er glücklich, vielleicht strahlte er noch eine Nuance glücklicher als sonst. Der Vogel, der so schwarz war wie ein Mohr, hatte seine Schuldigkeit getan. Einladungen, Beschwerden, Hinweise: karl.hohenlohe(at)kurier.at

Kommentare