Ges.m.b.H.: Erscheinung

Ges.m.b.H.: Erscheinung
Über eine Erscheinung in London.
Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Erst gestern kehrte ich aus London zurück. Es war vor ein paar Tagen, irgendwann am Vormittag, unweit des Shopping-Centers "Harrods": Gerade ließen die Geschäftsinhaber in ihren grauen Anzügen mit den weißen Streifen, unterstützt von ihren Angestellten mit grauen Anzügen ohne weiße Streifen, die Roll-Läden hinauf und noch hatte sich die hektische Betriebsamkeit nicht über die Stadt gestülpt. Schon waren die ersten Busladungen mit Touristen unterwegs, Fotoapparate wurden auf Betriebsmodus gesetzt, irgendwo stieß ein geschlossener Regenschirm in die Luft und umgehend folgten ihm, wie von einem Magneten angezogen, ein glücklicher Pulk von Menschen. Dann geschah es. Erst hatte ich es gar nicht bemerkt, doch plötzlich hörte man Rufe, die sich unweigerlich zu Schreien auswuchsen. Die Menschen hasteten nach vorne zur Straße, zückten ihre Fotoapparate und Kameras und folgten einem uralten Instinkt, der uns allen innewohnt. Sie hoben ihre Hände und winkten. Als ich ein kleines Kind war, lernte ich einmal eine uralte Frau kennen, die selbst als kleines Kind in einer Winternacht den bayerischen König Ludwig in einer beleuchteten Kutsche vorbeifahren sah. "Es war eine Erscheinung", hat sie gesagt. Und auch in London war es eine Erscheinung, der Bentley schwebte vorüber, man vernahm kein Motorengeräusch und als die Limousine auf unser Höhe war, erstarrten auch die Rufe und etwas Ehrfürchtiges erfasste die Menschen. Sekunden später verlor sich das Auto aus dem Gesichtsfeld, die Menschen sahen einander ungläubig an und noch im hohen Alter, werden sie ihren Urenkeln erzählen, dass sie damals im Frühsommer in London die Queen gesehen haben.

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