Migräne-Manöver

Man könnte es soviel leichter als „rosarote Hilflose” haben.
Polly Adler

Polly Adler

In Rosarot sehe ich bescheuert aus. Mir steht Flintenweib-Schwarz.

von Polly Adler

über die "Arme-Mädchen-kommen-überall-hin-These"

Ich muss hüsteln lernen. Mondäne Migräne haben. Oder ein paar extravagante Lebensmittelunverträglichkeiten wie eine Hummer-Hysterie oder eine Austern-Allergie entwickeln. Einen Welpen-Tonfall trainieren. Generell mehr Spaß am Leiden finden. Sätze glaubwürdig einstudieren wie „Ich glaube, das wird mir alles ein wenig sehr zu viel“ oder „Ehrlich gesagt, das ist mir jetzt eine Schuhnummer zu groß“ oder „Ein Jahr geb’ ich meinem Psychiater noch, dann gehe ich nach Lourdes“ (© Woody Allen). Mir auch einmal eine Schreib-Blockade gönnen. Der Stapel unbezahlter Rechnungen auf meinem Schreibtisch hat mir dieses Vergnügen bislang versaut.

Meine Blick-Farbkarte erweitern – um die Nuancen „Bambi friert und will nach Hause“ und „Ich bin ein hochnervöses und deswegen äußerst unberechenbares Rennpferd“. Mit einer Ross-Konstitution, wie sie mir von meinen Bergbauern-Ahnen geschenkt wurde, dem immer Funktionieren und Gute-Laune-Haben, hat man zwar viele Freunde, macht aber keine Meter. Weder im Job, noch in Herzensangelegenheiten.

Macht man einmal schlapp, kriegt man maximal einen jovialen Du-schaffst-das-schon-Schlag auf den Rücken gepoltert. Und wird dann von denen, die auf dem Schutzinstinkt-Reservoir der Menschheit Trampolin springen, rechts überholt. Die Künstlerin Zelda Fitzgerald hat diese Kunstfertigkeit einmal so beschrieben: „Kaum waren wir den viktorianischen Anstandsdamen entronnen, kultivierten wir Südstaatenmädchen diese rosarote Hilflosigkeit.“

Sie verbrannte in einer Anstalt für Geisteskranke, ist also eigentlich kein rasendes Beispiel für diese Arme-Mädchen-kommen-überall-hin-These. Da fällt mir ein: In Rosarot sehe ich bescheuert aus. Mir steht Flintenweib-Schwarz. Die Migräne-Manöver müssen also leider auf immer vertagt werden. Null Jukebox, mein Leben.

www.pollyadler.at

polly. adler[at]kurier.at

Migräne-Manöver

Polly Adler spendet in „Adieu Fortpflanz“ Trost und Ratlosigkeit von der Erziehungsfront und erzählt, warum man sein Kind zwar immer liebt, aber manchmal dennoch nicht leiden kann.

240 Seiten, 22,95 Euro bei www.thalia.at

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