Mein Finale im Halbfinale

Zoran  Barisic

Zoran Barisic

Wieder einmal wurde ein Spiel durch eine Standardsituation entschieden. Portugals Gegner wird im 'Finale' ermittelt.

von Zoran Barisic

über Halbfinali

Offiziell heißt der Matchwinner Cristiano Ronaldo. Bei all der Klasse des Portugiesen sollte aber nicht vergessen werden, dass wieder einmal eine Standardsituation den Türöffner spielte.

Ohne diesen Eckball fällt das 1:0 nicht. Ohne den erfolgreich verwerteten ruhenden Ball muss Wales nicht aufmachen und das zweite (eher glückliche) Tor kann mangels freier Räume gar nicht entstehen. Dass über Standardsituationen gar ein Titel gewonnen werden kann, haben die Griechen 2004 bewiesen.

In Hälfte eins war das erwartete taktische Geplänkel zu sehen. Obwohl zwei unterschiedliche Systeme aufeinander trafen, war die Spielanlage sehr ähnlich: auf Sicherheit bedacht und mit starker Absicherung für den Fall eines Ballverlusts. Einziger Unterschied: Portugal legte es stärker auf die Kontrolle des Spielgeschehens an, Wales gab sich damit zufrieden, auf Konter zu warten – erfolglos.

Vorweggenommenes Finale

DeutschlandItalien war ein vorweggenommenes Finale. DeutschlandFrankreich wird ein vorweggenommenes Finale. DeutschlandItalien war aus Trainer-Sicht aufgrund der taktischen Raffinessen extrem interessant, aber für den Zuschauer (bis zum Elfmeterschießen) wenig spektakulär. DeutschlandFrankreich wird mich wieder fesseln, aber viele Fans vergeblich auf ein Offensiv-Festival warten lassen.

Nichts Neues also? Doch, weil nach dem Duell der Dreierketten heute wieder zwei Viererketten auf höchstem Niveau aufeinander prallen werden. Ich bin sicher, dass Teamchef Löw seine Umstellung exklusiv für Italiens Spielstil ausgewählt hat. Gleich bleiben wird hingegen, dass es ganz knapp ausgeht. Das ist eine echte 50:50-Partie.

Personalfragen

Leichter fällt es mir, die offenen Personalfragen zu beantworten. Ich rechne damit, dass der starke Debütant Umtiti in Frankreichs Abwehr wieder durch Rami ersetzt wird. Auf der Gegenseite wird der gesperrte Abwehrchef Hummels durch einen zusätzlichen Offensivspieler ersetzt werden, weil diesmal zwei Innenverteidiger genügen. Da mit Gomez der einzige klassische Mittelstürmer der Deutschen ausfällt, ist eine flexible Sturmreihe mit Müller – Götze – Draxler am wahrscheinlichsten.

Mein Finale im Halbfinale
France's forward Antoine Griezmann celebrates after scoring his team's fourth goal during the Euro 2016 quarter-final football match between France and Iceland at the Stade de France in Saint-Denis, near Paris, on July 3, 2016. / AFP PHOTO / Francisco LEONG

Gesegnet sind die Deutschen im Zentrum. Natürlich schmerzen die Ausfälle von Khedira und (vielleicht) Schweinsteiger, aber die Alternativen Emre Can und Julian Weigl sind erstklassig. Can hat zwar im Team noch nicht den Sechser gespielt, in der Rolle habe ich ihn bei Liverpool aber schon sensationell erlebt. Er ist körperlich stärker als Weigl, das könnte in Hinblick auf die gefährlichen französischen Standards den Vorzug gegenüber Weigl bringen. Der Dortmund-Aufsteiger ist hingegen eher der Kroos-Typ – und sicher ein Mann der Zukunft.

Am meisten freue ich mich auf Antoine Griezmann. Zu Turnierbeginn habe ich ihn als Schlüsselspieler der Franzosen bezeichnet. Nicht nur das, er wurde für mich sogar zum bisher besten Spieler des Turniers. Wie er sich fallen lässt und nach einem schnellen Kontakt in die Spitze rückt, ist schwer zu verteidigen. Oder in anderen Worten: schlicht Weltklasse.

sport@kurier.at

Kommentare