Blatter kritisiert Boateng – eigentlich sollte er ihm danken

Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Blatter sollte über seinen Schatten springen. Und einmal einen Fehler eingestehen.

von Bernhard Hanisch

über die Reaktion des FIFA-Chefs auf Boatengs mutige Aktion.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte die Wiener Austria ein offensichtliches Problem mit rechtem und rassistischem Brechdurchfall, der über Teilen der Osttribüne eine übel stinkende Geruchswolke aufsteigen ließ. Es gehörte zu den positiven Wesenszügen des damaligen Trainers Karl Daxbacher gegen solch Ekelhaftigkeiten klare Position zu beziehen. Er werde seine Mannschaft nicht antreten lassen, sollte sich die Situation nicht schlagartig normalisieren. Daxbacher war die Umsetzung dieser in einem KURIER-Interview gemachten Ankündigung durchaus zuzutrauen. Zivilcourage nennt man so etwas.

Mutig ist es, ein öffentliches Zeichen zu setzen gegen die Menschenfeindlichkeit, die auch in einem Fußball-Stadion nichts zu suchen hat. Mutig ist gleichzeitig, gegen jene Lüge anzutreten, der im Kommerz versinkende Fußball verstoße nie gegen den von oberster Funktionärsebene ausgegebenen Slogan der unantastbaren Fairness.

Darum war AC-Milan-Spieler Kevin-Prince Boateng mutig, das Spielfeld zu verlassen, nachdem er Zielscheibe unaufhörlicher rassistischer Beschimpfungen geworden war. Alle Mannschaftskollegen folgten ihm, das unbedeutende Freundschaftsspiel wurde abgebrochen. Boateng pfiff auf die bisher übliche Vorgehensweise, durch schlichtes Ignorieren der Vorfälle den Fußball sauber zu halten. Endlich eine Tat, die das Fußballstadion als Tatort nicht hinnimmt. Und endlich eine Tat, die dem Klischee des "eindimensionalen Kickers" entgegenwirkt, wonach dieser vor sämtlichen Problemen abseits des Sports die Augen verschließe.

Und was macht Joseph Blatter, oberster Bürokrat im internationalen Fußballgeschäft?

Er findet die Aktion von Boateng nicht in Ordnung. Die einzige Sorge des FIFA-Präsidenten: "Ich denke nicht, dass man weglaufen sollte, weil man dann ja auch weglaufen könnte, wenn man ein Match verliert." Harte Sanktionen gegen jene Klubs mit rassistischen Fans seien die einzig richtige Reaktion. Null Toleranz, fordert Blatter. Schöne Worte, die sinngemäß auf Transparente gemalt von vielen Fußball-Mannschaften im Rahmen dementsprechender Kampagnen dem Publikum oft entgegengehalten werden.

Kevin-Prince Boateng ist ein Vorbild, weil er Aufsehenerregendes geleistet hat. Weltweit. Viel mehr, als es Funktionäre schaffen, die jetzt wieder über die Einführung harter Strafen grübeln, die ohnehin nur Alibi-Aktion und keine Bekämpfung des Problems sein können. Blatter sollte über seinen Schatten springen. Und einmal einen Fehler eingestehen.

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