Gestrichene Wände

Früher haben Wände eine klare Trennlinie zwischen Räumen markiert.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Früher haben Wände eine klare Trennlinie zwischen Räumen markiert.

von Mag. Simone Hoepke

über gestrichene Wände

Wann eigentlich sind Wände aus der Mode gekommen? In meiner Kindheit war es durchaus üblich, dass Wände eine klare, für jeden nachvollziehbare, Trennlinie zwischen Büro und Schlafzimmer, zwischen Küche und Wohnzimmer und sogar zwischen Bad und Klo markierten. Gibt es heute nicht mehr. Eingespart! Muss irgendwann in der Geiz-ist-geil-Ära passiert sein. Das Phänomen zieht sich durch alle Lebensbereiche.

Weil es schick ist, sein hart verdientes Geld nicht aus dem Fenster zu werfen, sparen jene, die es sich leisten können, bei der Kostenstelle "Wände & Türen". Sie leben fortan im Loft. Kann man sich vorstellen wie eine Lagerhalle mit Minotti-Möbeln.Damit solche Menschen sich auch im Hotelzimmer heimelig fühlen, stellen Hoteliers ihnen neuerdings die Badewanne mitten ins Zimmer. Das Klo gleich daneben. So wird der Blick von keiner lästigen Wand mehr verstellt.

Gearbeitet wird konsequenterweise im Großraumbüro. Das hat Charme. Auch olfaktorischer Natur. Speziell um die Mittagszeit, wenn sich scheinbar die halbe Stadt um die Mikrowelle im Zentrum der Großfläche zusammenrottet, um am "Wer-hat-das-geruchsintensivste-Fertigmenü"-Contest teilzunehmen.

Außerdem lernt man sich gleich viel besser kennen. Nicht dass man mehr redet. Nein, man hört nur mehr zu. Bei Telefongesprächen etwa. Früher hat man einen Rosenkrieg des Kollegen Rechtsaußen nur erahnt. Jetzt hört man jedes Wortgefecht live mit. Das geht mitunter so weit, dass man kalmierend eingreifen möchte, wenn die Vorwürfe allzu haltlos werden.

Apropos trautes Heim, Glück allein: Wer glaubt, die Luxusküche sei das Statussymbol schlechthin, steht Trend-mäßig im Out. Das Bad ist das neue Aushängeschild! Ganz wichtig dabei ist das japanische WC. Dieses zeichnet sich durch die integrierte Dusche samt Föhn zum Hintern-Trocknen aus. Gibt es auch in einer Luxusversion, die nebenbei den Blutdruck und die Körpertemperatur misst.

Ob sich das als Small-Talk-Thema bei einer Loft-Einweihungsfeier eignet, sei dahingestellt.

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