Unter der Gürtellinie

Es gibt Krawatten in Übergrößen. Also für Menschen mit überbreitem Nacken, XXL-Bauch oder -Oberkörper.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Ein befreundeter Banker hetzte kürzlich verzweifelt durch New York. Er hatte einen Geschäftstermin, seine Krawatte aber in Meidling vergessen. Zum Glück gibt es in New York an jeder Ecke Shops. Er kaufte sich einen neuen Schlips, entsorgte die Verpackung im nächsten Mülleimer, band sich die Krawatte um den Hals und schaute in ein spiegelndes Schaufenster. Was er sah, war Donald Trump. Nicht, dass sich seine Haare plötzlich gelb verfärbt hätten. Es war seine neue Krawatte. Sie baumelte bis knapp übers Knie.

Seitdem ist Gewissheit, was ich ahne, seitdem Donald Trump das erste Mal auf der Bildfläche aufgetaucht ist: Es gibt Krawatten in Übergrößen. Also für Menschen mit überbreitem Nacken, XXL-Bauch oder besonders langem Oberkörper. Und für Donald Trump. Dem 1,88 m großen Herrn mit dem XXL-Ego, der nicht nur krawattentechnisch gerne deutlich unter die Gürtellinie geht.

Die Krawatte wurde nicht erfunden, um schwarzen Anzugträgern ein bisschen Farbe aufs weiße Hemd zu patzen. Historisch gesehen kommt sie – wie die neue First Lady der USA – aus dem ehemaligen Jugoslawien. Zwar nicht aus Slowenien, aber aus Kroatien – was vor gut 400 Jahren nicht das große Thema war. Zu jener Zeit verwüstete der Dreißigjährige Krieg Europa, kroatische Söldner eilten den Franzosen zu Hilfe. Um den Hals hatten sie zu ihrer Uniform lange Tücher gebunden.

So ein Tuch wollten bald alle am Hofe von Ludwig XIV. haben. Der Sonnenkönig selbst fiel mehr durch seine Haarpracht auf. Genauer gesagt durch die aberwitzigen Perücken, die er auf seiner Glatze platzierte. Solche Perücken sind heute im Gegensatz zur Krawatte nicht mehr in Mode. Auch wenn sich Frankreichs Präsident Hollande im Sommer für monatliche Friseurrechnungen jenseits der 9000 Euro Marke rechtfertigen musste.

Wie viel Trump seinem Friseur zahlt, ist nicht überliefert. Als gesichert – und kleiner Trost für die "Not-my-President"-Demonstranten in New York – gilt, dass er nicht so lange an der Macht bleiben wird wie Ludwig der XIV.: Es waren 54 Jahre.

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