Die schmerzliche Auslassung von Heinz Fassmann

Die schmerzliche Auslassung von Heinz Fassmann
Sonderschulen werden in der Pandemie vom Bildungsminister nicht einmal erwähnt. Das tut weh. Vor allem den Eltern

Wenn Bildungsminister Fassmann während seiner Pressekonferenzen von Volksschulen, Mittelschulen und Oberstufen spricht, lässt er eine Schulsparte aus: die Sonderschulen. Die Eltern dieser Schüler schmerzt die Auslassung am meisten. Der Ausschluss ihrer Kinder startet mit dem ersten Funken eines winzigen Gefühls – wenn feststeht, dass das winzige Wunder, dass sich an einen schmiegt, anders ist, als die anderen, die sich an ihre Eltern schmiegen.

Es gibt grob gesprochen zwei Wege: Wer sich in Resignation übt, gibt seine Arbeit auf, betreut das Kind daheim, geht mit dem Kind zur Schuleinschreibung, schickt es in die Sonderschule. Keinesfalls wird dieser Schulzweig hier als negativ angesehen, doch schließt der Besuch einer Sonderschule das Kind dezidiert aus dem Alltag vieler gleichaltriger Kinder und ihrer Lebenswelt aus.

Auch wer kämpft verliert – Zeit, Geld, Lebensqualität. Selbst die Entscheidung für die Integrationsvariante und eine damit einhergehende schulische Integration garantiert keine Eingliederung in das Sozialgefüge Gleichaltriger.

Viele Eltern erzählen, dass das Kind zwar ein, von den Lehrpersonen gehegtes Integrationskind ist, es jedoch keine Spieledates, Geburtstagsfeiereinladungen, gemeinsame Ausflüge mit den Familien von SchulkollegInnen gibt.

Nach der Schulpflicht beginnt der Kampf der unfairen Mittel: nur wer zahlt, gewinnt.

Eventuell. Wenn etwa die entwicklungspsychologische Reife für eine integrative Lehre fehlt, heißt es Alternativen im privaten Sektor zu finden.

Meist unerkannt für die Außenwelt bleiben all jene Schikanen, die der Alltag sonst noch für Eltern eines behinderten Kindes bietet: der Verlust von Freundschaften, das Zerbrechen von Beziehungen, Selbstzweifel. Plätze für Therapien und integrative Kurse rar – und werden vom Staat nur bedingt unterstützt.

Während die meisten Eltern einen Notgroschen für Sprachreisen, Tanzkurse oder Führerscheine beiseitelegen, wissen Eltern behinderter Kinder, dass Ihre Kinder in den meisten Fällen von den Veranstaltern solcher Aktivitäten in der Planung schon im Vorhinein unberücksichtigt bleiben.

Menschen mit Behinderung werden von unserer Gesellschaft dann gesehen, wenn sie Streichholz zählende Parade-Autisten oder körperlich behinderte Menschen sind. Aber Eltern eines geistig behinderten Kindes können nicht vom All-inklusive-Buffet der Behinderungen wählen, sie nehmen an, was sie kriegen und versuchen im Anschluss den bestmöglichen, spannendsten, lebenswertesten Lebensweg für ihre Wunder zu gestalten.

Jene Kinder und Eltern erleben tagtäglich Ausgrenzung, haben Kompensationsmechanismen entwickelt, um damit zurechtzukommen, aber schmerzen, schmerzen tut jeder Ausschluss dennoch.

Wenn schon das gesamtheitliche staatliche und gesellschaftliche Netz fehlt, das Eltern ab dem ersten Moment der Verunsicherung auffängt, tröstet, ihnen Hilfestellung bietet, sowie Chancen und Fördermöglichkeiten aufzeigt, dann ist ein öffentliches Miteinbeziehen ALLER schulpflichtigen Kinder und deren Eltern das Mindeste, was von einem Bildungsminister erwartet werden kann.

Julia Hofmann ist Sonderschullehrerin in Wien.

Kommentare