Die Geister, die Cameron rief

Die Geister, die Cameron rief
GASTKOMMENTAR Die irrationale „Brexit“-Debatte in Großbritannien sollte eine Warnung an alle Regierungen Europas sein
Othmar Karas

Othmar Karas

Wir brauchen eine Europäisierung der Innenpolitik

von Othmar Karas

über die Brexit-Debatte in Großbritannien

Falls die Briten diese Woche für einen Austritt aus der EU stimmen - was ich nicht hoffe -, dann ist das das spektakuläre Scheitern David Camerons, der sich immer wieder auf Kosten der EU profiliert hat. Cameron hat jahrelang die - auch bei uns in Österreich verbreitete - Anti-EU-Nummer gespielt. Er hat direkt und indirekt EU-Skepsis geschürt. Er hat mit Schuldzuweisungen versucht, Politik zu machen, anstatt über die Mitverantwortung des eigenen Landes in der EU ehrlich zu informieren. Er hat so getan, als könne man in einer sich immer stärker globalisierenden Welt Probleme auf nationaler Ebene lösen. Was gut war, kam aus London, was schlecht war, aus Brüssel.

Dass seine Pro-EU-Argumentation jetzt nicht wirklich glaubwürdig wirkt, kann niemanden verwundern. Der Bumerang, den er selber geworfen hat, fliegt ihm jetzt ins eigene Gesicht. Die Geister, die er rief, wird er nun nicht los. Falls die Briten doch für einen Verbleib in der EU stimmen, schaut Cameron kein bisschen besser aus. Er hat das Land tief gespalten und eine irrationale Debatte geschürt, die Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen, Nigel Farage, Heinz-Christian Strache und Co. ist.

Dies sollte eine Warnung an alle Regierungen Europas sein. Innenpolitiker, die sich wie Cameron zu oft auf Kosten der EU profilieren, werden eines Tages die Geister, die sie gerufen haben, nicht mehr los. Eine Nationalisierung der Argumente führt zu dem, was wir in den letzten Wochen im Vereinigten Königreich gesehen haben. Wir brauchen aber eine Europäisierung der Innenpolitik. Wir brauchen Aufrichtigkeit im Umgang mit der Globalisierung, den Problemen der Zukunft und der Mitverantwortung in der Gemeinschaft der EU.

Trotzdem habe ich Hoffnung. Wenn die Sachargumente Gehör finden und das Referendum nicht für einen rein parteipolitischen, innenpolitischen Schlagabtausch missbraucht wird, dann werden die Bürger für den Verbleib in der EU stimmen. Ein Nein zur EU würde das Vereinigte Königreich weltweit schwächen und es wahrscheinlich sogar spalten, weil Schottland eigene Wege gehen würde.

Sollte eine Mehrheit für den Austritt stimmen, ist das zu respektieren und kompromisslos umzusetzen. Ein Austritt ist ein Austritt. Wenn die Briten raus wollen, dann müssen sie raus und spüren, dass sie draußen sind. Es kann nicht sein, dass wir ihnen dann Sonderrechte geben, die sie die Vorteile der Mitgliedschaft nutzen lassen ohne die Pflichten erfüllen müssen. Wenn wir das anfangen, werden auch Dänemark, Ungarn, Polen und Österreich mit der Rosinenpickerei beginnen. Die Zerstörung der europäischen Idee würde fortgesetzt.

Wenn das Referendum negativ ausgeht, müssen wir auch über die Stimmrechte Großbritanniens im Parlament und im Rat während der Übergangsphase reden. In den Jahren, in denen der Austrittsvertrag der Briten mit der EU verhandelt würde, endstünde eine absurde Situation. Die Briten würden über EU-Gesetze mitentscheiden, die aber nicht mehr für sie selbst gelten würden. Deshalb müssten wir ihnen dieses Stimmrecht entziehen. Ein Land, das austreten will, dass nicht mehr zur Zukunft Europas beitragen will, darf auch nicht mehr mitentscheiden. - Hoffentlich bleibt uns das erspart.

Egal wie das Referendum ausgeht, wir können nicht zu Tagesordnung übergehen. Wir müssen, die EU besser und handlungsfähiger, zur Antwort Europas auf die Globalisierung machen.

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