Die Sexkolumne im Weblog: FREMD GEHEN OHNE FREMDZUGEHEN, Teil 1

Die Sexkolumne im Weblog: FREMD GEHEN OHNE FREMDZUGEHEN, Teil 1
Am Anfang ist Verschmelzung. Doch dann tötet Nähe die Erotik. Fremdgänger gehen fremd, weil sie im Fremden finden, was ihnen im Laufe der Beziehungsjahre abhanden gekommen ist: das Nicht-Vertraute. Exzessiv und lockend.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Gibt es trotzdem eine Überliebensstrategie?

Als begabte Fettnäpfchentreterin mit Hang zum Geschmacklosen sorgte ich unlängst mit einem nicht wirklich guten Uralt-Witz für Bombenalarm beim Heurigen. Nach drei, vier Spritzern warf ich die Frage "Was machen die meisten Männer, nachdem sie mit einer Frau gevögelt haben?" in die (noch) heitere Runde. Der Gatte meiner besten Freundin meinte: "Schnarchen." Die beste Freundin antwortete: "Eine rauchen." Dann kam ich: "Nix da, nix da. Aufstehen und nach Hause gehen." Was gar nicht gut war, weil ich in meinem plumpen Schwips übersehen hatte, dass zwei der sechs anwesenden Paare gerade mitten in der therapeutisch untermalten Reset-Phase steckten und noch Wunden leckten. Doppeltes Pech: Jeder von denen versuchte gerade das sexuell aushäusige Tun der Ehemänner gastritisfrei zu verdauen. Die Stimmung war dann manisch-depressiv, man soff sich hysterisch unter den Tisch. Und ich hatte am nächsten Tag Migräne. Aber - alles angeblich eh falsch. Statistiken zufolge findet das Gros der meisten Geschlechtsakte innerhalb fixer Beziehungen oder in Ehen statt. Zahlen, meine ich, die es nur gibt, weil Menschen und Statistiken lügen. Doch selbst wenn es so wäre: Wer sagt, dass all diese Nummern überhaupt noch Straßenfeger sind? Fremdgänger gehen fremd, weil sie im Fremden wieder finden, was ihnen im Laufe der vielen Beziehungsjahre abhanden gekommen ist: das Nicht-Vertraute. Die Faszination eines anderen, von dem wir (noch) nichts wissen. Fremder Geist, fremde Seele, fremder Körper. Fremde Erotik. Neuland! Auf Sendeplatz zwei - das bekannte Hauptabendprogramm: Reality TV in Gestalt eines Partners, von dem wir alles kennen. Das Wimmerl am Hintern, den vernudelten Lieblingspyjama, Haut und Haare. Wir wissen, wie er klingt, wenn er zürnt, wie er zittert während des Orgasmus, wie er bebt, wenn er lacht, wie er sich anfühlt, wenn er schwitzt, wie er schmeckt, wenn er weint. Und wir ahnen wie es sein könnte, wüssten wir all das nicht. Dabei streben die meisten von uns nach dieser Form von Intimität. Im gesellschaftlich probaten Modell und Ideal kuscheliger Zweisamkeit erahnen wir dadas Heilbringende, die Erlösung. Und wundern uns, wenn es stattdessen anders kommt: Sicherheit mordet Leidenschaft. Vertrautheit schließt den Exzess aus. Liebe vereinnahmt die Gier. So gesehen ist es fast nur logisch, wenn einer wie der Paartherapeut Klaus Heer meint: "Nüchtern betrachtet ist es schwer vorstellbar, wie ein Paar über Jahrzehnte liebend miteinander leben kann. Eine enorme menschliche Leistung." Da wird so mancher erst ratlos - dann rastlos und schließlich Fremdgeher. Unlängst schilderte mir jemand seine Überliebensstrategie, um sich seine Partnerin bei aller Beständigkeit fremd zu denken: Er lebt von ihr getrennt. Man sieht sich selten. Das mag ein Weg sein - aber er zögert den Gewöhnungsprozess nur hinaus. Denn auch in diesem Szenario weiß jeder irgendwann, auf welche Weise der andere beim Sex duftet, was er tut, wenn er traurig ist und wie er atmet, wenn er Angst hat. Und dennoch bin ich mir sicher, dass was geht - mit der Liebe, der Lust und auch mit dem Bleiben. Siehe: Teil 2.

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