Der wahre Kultur-Jahresregent: Die Krise

Nachdenkliche Stimmung in der Kultur: Nicht nur in Detroit (Bild) gerät man finanziell unter Druck.
Staaten und Städte verkaufen ihre Sammlungen, renommierte Orchester machen "Pause", das Burgtheater wankt.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Der wahre Kultur-Jahresregent: Die Krise.

von Georg Leyrer

über das Thema, das 2014 bestimmen wird.

Richard Strauss vor 150 Jahren, Shakespeare vor 450 - es gibt ja an sich nichts Faderes und zugleich Dankbareres für die Medien und die Rechteinhaber als die sogenannten Jahresregenten, deren mehr oder weniger runde Geburtstage vermarktet werden.

Der wahre Jahresregent 2014 im Kulturbereich aber ist die Krise.

Kaum mehr als zwei Wochen alt ist das Jahr. Und aus der Kultur werden Krisensymptome vermeldet, die noch vor Kurzem schlicht undenkbar gewesen wären.

Notverkauf

Dass die Regierung in Portugal 85 wertvolle Bilder des spanischen Künstlers Joan Miró versteigern lassen will, etwa. Hier gerät ein System aus den Fugen, das vor ziemlich genau hundert Jahren scheinbar für die Ewigkeit zementiert wurde: Die Staaten als Garanten dafür, dass Kunst bewahrt und öffentlich zugänglich bleibt.

In Detroit wiederum ist die städtische Kunstsammlung durch die Pleite der Stadt derart gefährdet, dass nun neun Stiftungen insgesamt 330 Millionen Dollar zugesagt haben, um einen Ausverkauf zu verhindern. Damit soll auch dort die Kunstverwaltung aus der öffentlichen Hand gelöst und auf private - hier: philanthropische – Basis gestellt werden.

Millionenschulden

Die italienischen Opernhäuser haben Schulden in der Höhe von 300 Millionen Euro angehäuft, berichtete das US-Magazin Newsweek jüngst unter dem Titel „Das Ende der italienischen Oper“ – ein weiterer Einblick in das Ausmaß der Finanzierungskrise, in der sich Italiens Kultur befindet. Nur drei Opernhäuser sind derzeit in der Lage, Rechnungen innerhalb von zwei Monaten zu bezahlen. Den anderen fehlt schlicht das Geld. Und da geht es an das Eingemachte der Hochkultur: Denn die Probleme an Italiens, auch vielen spanischen und deutschen Opernhäusern haben Auswirkungen auf den gesamten Markt.

Auch vielen Orchestern geht es finanziell schlecht - und zwar durchaus renommierten. Das vom Stardirigenten Claudio Abbado gegründete Mozart-Orchester in Bologna macht Zwangspause. Wegen finanzieller Probleme sind die Aktivitäten des Klangkörpers vorübergehend ausgesetzt. Als unwahrscheinlich gilt, dass das Orchester wieder bald die Arbeit aufnehmen könnte. In den USA und Deutschland haben mehrere Orchester mit schwierigen Verhandlungen über Gehälter zu kämpfen.

Musikmisere

Auch der (seit mehr als einem Jahrzehnt ohnehin nicht von Erfolgsmeldungen verwöhnte) Popbereich will sich nicht so recht erholen: Nach zarten Hoffnungsschimmern mit einem dank (Onlineverkäufen wieder wachsenden Gesamtmarkt im Vorjahr musste man zu Jahresbeginn eine doch ziemliche Hiobsbotschaft hinnehmen: Der bisher neben Vinyl als einziges ständig wachsende digitale Musikmarkt ist 2013 erstmals geschrumpft (Einzeltracks um 5,7 Prozent, Alben um 01, Prozent). Der Grund: Die zuletzt auch von Musikerseite immer stärker in die Kritik geratenen Streaming-Services, die den Musikkauf ersetzen.

Und Österreich?

Die heuer zu klärende Frage ist, wie weit hier Sondersituationen vorliegen, die wieder behoben werden, oder ob sich diese Extremfälle schon zu fundamentalen Umwälzungen im Kulturbereich hochrechnen lassen. Dass es derart im Gebälk kracht, ist einer Mixtur aus Finanzkrisen-Auswirkungen, Umwälzungen am Markt, veränderten Konsumgewohnheiten und strukturellen Defiziten geschuldet. Vieles davon entzieht sich dem Zugriff der Kulturschaffenden.

Neu ist, dass die Krise auch vor der Kultur - ein oftmals mit Samthandschuhen angegriffener Identifikationsbereich - nicht mehr halt macht.

Im glücklichen Österreich verweigert man sich gerne diesem wenig verheißungsvollen Blick über den Tellerrand. Doch man muss kein Schwarzmaler sein, um zu warnen: Damit wird es heuer ein Ende haben. Die Krise im Burgtheater ist hier nur ein erster Vorbote; und verdächtig leise verhält sich die gesamte Branche noch angesichts des angekündigten Spar-Befehls bei der Budgeterstellung.

Dabei ist in Gesprächen mit Kulturschaffenden, Kulturmanagern und Mitarbeitern von Kulturinstitutionen spürbar, wie ungewollt groß die Auswirkungen auch nur minimaler Sparmaßnahmen bei öffentlicher Kultursubventionen sein könnten.

Ein Jahresvorsatz der unbeliebteren Art: Es wird Zeit, sich öffentlich ernsthaft mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass auch im Kulturbereich nichts mehr in Stein gemeißelt ist.

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