Gestrig über morgen

Kommentar zur Tagung "Kinder + digitale Medien"
Heinz Wagner

Heinz Wagner

Unsere Klassenzimmer würden kaum anders aussehen als vor 50 Jahren, kritisierte der Auftaktreferent der Tagung "Kinder + digitale Medien". Dies wäre nur ein Symptom dafür, wie reform- und reparaturbedürftig das heimische Schulsystem sei (siehe Link unten). Und dann begann er unter anderem zu schwärmen, wie super voll-elektronisch ausgestattet die Klassenzimmer in Singapur seien. Dort gäb's Tafel und Kreide nur in einer Klasse - im Schulmuseum. Schade, dass die Tagungsteilnehmer_innen sich davon kein Bild machen konnten. Denn ganz undigital verzichtete der Referent darauf, auch nur irgendwas an die leinwand zu beamen. Auch diverse salopp verbal hingeworfene Homepages dürfen sich die interessierten Zuhörer_innen er"googeln", nachdem keine einzige url genannt wurde. Alternativ hatten sie die Chance, sich in einer Liste einzutragen, um den Newsletter zu bestellen. Die ganze Tagung (sehr verdienstvoll, dass es nach sechs Jahren wieder zu solch einer gekommen war), bei der viel Richtiges und Wichtiges rund um die Veränderungen des Lernens durch Einsatz neuer Medien gesagt wurde, spielte sich ziemlich undigital, recht alt und sehr gestrig ab - Podiums"diskussionen" mit mehr als einem halben Dutzend Teilnehmer_innen für die eine dreiviertel Stunde Zeit eingeplant war - was von klarerweise null Minuten fürs Publikum bedeutete und selbst auf dem Podium im Schnitt grade mal zwei Statements pro Beteiligter/m erlaubte.

Von Schüler_innen lernen!

Beste Beispiele von Pojekten aus Schulen wurden auch ausgezeichnet - die sich in wenigen Minuten vorstellen konnten, weshalb drei der vier prämierten gleich darauf verzichteten Schüler_innen mitzunehmen. Vielleicht Computer auf denen die ausführlicheren Präsentationen über diese Schulbeispiele selbstständig in den Pausen angesehen hätten werden können? Gab's nicht. Vielleicht hätte für die Tagung selber aufgegriffen werden sollen, was dort mehrfach gesagt wurde, Lernen verändere sich auch insofern, als Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr das Monopol auf Wissensvermittlung haben, der Lernprozess viel mehr interaktiv, selbstbestimmt, gegenseitig werde/sei. Ein 12-Jähriger machte es sozusagen im Vorraum der Tagung ein bisschen vor. Dominic Gebhart war mit einem Lehrer_innen-Duo angereist, die einzige der vier ausgezeichneten Schulprojektgruppen, wo ein Schüler mit dabei war - ausgerechnet die mit der weitesten Anreise (aus dem Vorarlberger Bludenz). Er hatte seinen Laptop - auf kleinem Podest mit zwei zusätzlichen, selbst gebauten Lüftern - aufgebaut und bot Interessierten einen Check ihrer Privatsphäre-Einstellungen auf Facebook an (siehe Hauptartikel und Interview).

Kritik unerwünscht

Achja noch eine kleine Anmerkung: Die Initiatorin der Tagung fragte den Schreiber des Berichts über die Schulprojekte und dieses Kommentars, ob er ein Video-Statement mit Feedback zur Tagung abgeben wolle. Mit der Bemerkung, "hoffentlich ein gutes!". Als die oben genannten Kritikpunkte aufgezählt wurden, kam die Reaktion, "dann lieber nicht." Übrigens: Diese Initiatorin war dreieinhalb Jahre Nationalratsabgeordnete (für die ÖVP von März 2003 bis Oktober 2006).

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