Moser statt Mauer

Hans Moser
Georg Markus

Georg Markus

Ich dachte eher an kurzfristige Erleichterungen.

von Prof. Georg Markus

musste eine Buchpräsentation verschieben

Zu einem ungünstigeren Zeitpunkt hätte die Mauer für mich nicht fallen können. Gerade in diesen Herbsttagen des Jahres 1989 war ein Buch von mir über Österreichs großen Volksschauspieler erschienen. Der Titel: „Hans Moser. Der Nachlass“. Die Wiener Stadtbibliothek hatte mich auf einen sensationellen Fund aufmerksam gemacht: In einer leer stehenden Wohnung des damals schon vor 25 Jahren verstorbenen Komödianten waren mehrere Dutzend Kisten mit sensationellem Material aufgetaucht, darunter Tausende persönliche Briefe, Dokumente, Privat-, Film- und Bühnenfotos, die Mosers Frau Jahrzehnte lang gesammelt hatte und die mir die Stadt Wien – als Erbin des künstlerischen Nachlasses von Hans Moser – zur Verfügung stellte, um sie in einem Bildband zu veröffentlichen.

Am Abend des 10. November sollte ich das Buch in einer Fernsehsendung präsentieren und über Hans Moser und seinen Nachlass sprechen. Das Material war wirklich Aufsehen erregend, u. a. befand sich darunter der von Moser handgeschriebene „Dienstmann“-Sketch, mit dem er 1923 über Nacht berühmt geworden war, aber auch der später oft zitierte Brief an Hitler, in dem Moser den „Führer“ anflehte, „meiner Gattin die für Juden geltenden Sonderbestimmungen gnadenhalber zu erlassen“ (was übrigens vonseiten des Naziregimes abgelehnt wurde).

Aber wen interessieren die Sorgen eines noch so bedeutenden Schauspielers, wenn in der Nacht davor die Berliner Mauer gefallen ist? Natürlich keinen Menschen. Also erhielt ich am Nachmittag einen Anruf des ORF, dass das Thema der Sendung „aus aktuellen Gründen“ geändert werden müsste.

Moser statt Mauer

Zu blöd, dachte ich mir, ich hätte das Buch natürlich gerne im Fernsehen gezeigt. Und heute, ein Vierteljahrhundert später, muss ich gestehen, dass ich in dieser Stunde die wahre Dimension des Mauerfalls nicht erkannt hatte, ich dachte eher an kurzfristige Erleichterungen, die von einer in die Enge getriebenen DDR-Spitze pro forma gewährt, aber bald wieder zurückgenommen würden. Am selben Abend las ich jedoch die Kommentare im KURIER und sah in der „Zeit im Bild“ die Berichte aus Berlin. Und begriff, dass in der vorangegangenen Nacht Weltgeschichte geschrieben worden war.

Ganz nebenbei: Die Causa Moser ist auch gut ausgegangen. Man lud mich ein oder zwei Wochen später noch einmal ein. Und da durfte ich dann endlich über Hans Moser reden.

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