Vetternwirtschaft: Legal, aber es nervt

Jürgen Klatzer

Jürgen Klatzer

Was geschieht mit jenen Kindern, deren Eltern nicht am politischen Schalthebel sitzen?

von Jürgen Klatzer

über Vetternwirtschaft

Du, meine Tochter würde gerne mal im Parlament arbeiten", sagt die Politikerin zum Parteikollegen. Er: "Klar, sie soll mir pro forma einen Lebenslauf schicken. Den Rest machen wir schon."

Kennen Sie das? Nepotismus, so das geflügelte Wort für eine Praxis, die schon seit der Antike bekannt ist. Vetternwirtschaft, bei der die Familienbande über alles stehen, war auch im Klerus während des Mittelalters äußerst beliebt. Ganz nach dem Sprichwort: "Wer den Papst zum Vetter hat, ist bald Kardinal."

Viele Politiker würden ohne prominente Eltern nicht ansatzweise dort stehen, wo sie heute sind. Kim Jong-un wäre vermutlich nie Nordkoreas diabolischer Machthaber geworden, wenn sein Vater nicht Kim Jong-il hieße. Auch Marine Le Pen würde nicht den Taktstock im rechtsextremen Front National schwingen, wenn der Parteigründer nicht auf den klangvollen Namen Jean-Marie Le Pen hören würde. Von der Bush-, Clinton- oder Kennedy-Dynastie müssen wir gar nicht erst sprechen.

Protektion

Die moderne Form des Nepotismus ist aber keinesfalls auf geografisch entfernte Systeme beschränkt. Das erkennt man an der versteckten Vetternwirtschaft im österreichischen Parlament. Dass Kinder von Politikern bei anderen Politikern derselben Partei beschäftigt sind, ist zweifelsohne legal und vollkommen legitim. Aber es nervt trotzdem. Nein, es nervt nicht einfach nur, es nervt gewaltig.

Politiker-Protektionskinder – ein hässlicher Begriff, der diese unsägliche Praxis exakt charakterisiert – müssen sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Sie werden aussichtsreiche Posten bekommen, die ihnen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Macht, Ruhm und Prestige einbringen. Nicht falsch verstehen. Keiner sagt, dass Kinder von einflussreichen Eltern unfähig sind und deswegen protegiert werden müssen. Aber wer sagt, dass sie fähiger sind als andere?

Die eigene Leistung spielt gewiss eine Rolle, aber in der Vetternwirtschaft dürfen sich hauptsächlich Papa und Mama mit Lorbeeren schmücken, wenn ihr Sprössling ein hohes politisches Amt besetzt.

Eltern wollen das Beste, aber ...

Was geschieht mit jenen Kindern, deren Eltern weder am Machthebel sitzen noch die Postenbesetzung als "Normalbürger" beeinflussen können? Kurz und knapp: Sie bleiben auf der Strecke.

Oft wird behauptet, jeder Mensch hätte dieselbe Chance, das zu tun, was er oder sie tun möchte. Theoretisch klingt das wunderbar, praktisch ist es reinster Blödsinn. Gehen wir davon aus, dass Papas und Mamas das Beste für ihren Nachwuchs wollen und deshalb alles tun, um das Beste für ihren Nachwuchs auch zu erreichen. Aber wie es unsere Gesellschaft eben so will, können manche Eltern ihren Kindern mehr mitgeben als andere. Der französische Sozialphilosoph Pierre Bourdieu spricht von Kapitalsorten und meint damit Ressourcen, wie Geld, Prestige, Bildung und den Familienstammbaum.

Selbstverständlich, wer kann, bringt sein Kind gut unter. Doch wenn Blut darüber entscheidet, wer für eine bestimmte Position der Richtige ist, dann hat die Politik eindeutig versagt und eine Kurskorrektur wird nur noch schwer möglich sein.

Angemerkt: Neben Bestechung, Stimmenkauf und Vetternwirtschaft war auch der Verwandtenmord in der Antike nicht unüblich. Die Macht blieb somit zwar in der Familie, von Nepotismus kann man aber nicht sprechen.

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