EU-Referendum: Cameron setzt einen falschen Fokus

Premier Cameron geht auf Tour.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Cameron macht sich das Leben unnötig schwer

von Philipp Hacker-Walton

über das britische Referendum

David Cameron hat diese Woche offiziell seine Kampagne für das britische EU-Referendum gestartet. Streng genommen die Kampagne vor der Kampagne: Cameron will ja bekanntlich zuerst einige Änderungen auf EU-Ebene durchsetzen - und dann mit diesem "new deal" bei den Briten für ein "Ja" werben bei der Abstimmung darüber, ob sie in der Union bleiben wollen oder nicht.

Zu Beginn der Woche empfing Cameron Kommissionschef Jean-Claude Juncker auf der Insel; dann machte er eine Mini-Tour nach Frankreich, Polen, Deutschland und in die Niederlande, um erste Gespräche über eine mögliche EU-Reform zu führen. Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Juni will Cameron dann erstmals in großer Runde über seinen "Deal" reden.

Cameron hat noch nicht offiziell auf den Tisch gelegt, was er von den EU-Partnern haben will. Im Wahlprogramm der Tories wird aber ziemlich schnell klar, wo der Schwerpunkt liegt: Bei der Einwanderung. Cameron will, dass weniger EU-Ausländer nach Großbritannien kommen, weil viele von ihnen seiner Ansicht nach ohnehin nur des britischen Sozialsystems wegen einwandern. Ergo soll es viel schwieriger werden für EU-Ausländer, in UK Sozialleistungen beziehen - und zwar unabhängig davon, ob sie eigentlich arbeiten (bzw. gearbeitet haben) oder nicht.

Bevor noch die Debatte darüber richtig begonnen hat, scheint es, dass Cameron einen mindestens unnötig komplizierten, wenn nicht gar völlig verkehrten Weg gewählt hat, um sein Ziel zu erreichen. Und zwar das grundsätzliche Ziel: Dass weniger EU-Ausländer auf die Insel kommen, die das britische Sozialsystem belasten oder ausnützen könnten.

Mit dieser Sorge ist Cameron nämlich überhaupt nicht allein in Brüssel: Mehrere Länder, darunter Deutschland und Österreich, warnen seit Jahren vor angeblichem "Sozialtourismus". Hier hätte der britische Premier also gute Chancen, Verbündete zu finden.

Dass aber auch arbeitende EU-Einwanderer, so wie Cameron das fordert, mehrere Jahre kein Recht auf Sozialleistungen haben sollten - das würde in Deutschland oder Österreich wohl keiner Regierung in den Sinn kommen.

Abgesehen davon, dass eine solche offensichtliche Diskriminierung an den Grundfesten der Union rütteln würde - man bräuchte definitiv eine EU-Vertragsänderung, um so etwas durchzusetzen. Und da könnte Cameron gerade dabei sein, sich zu verspekulieren: Änderungen vielleicht, Vertragsänderungen definitiv nicht - das ist der Tenor dessen, was Minister und Regierungschefs aus allen Ecken der EU derzeit zu Camerons Plänen vor und hinter den Kulissen sagen.

Cameron könnte also viel zu hoch angesetzt haben - und es sich damit von vornherein unnötig schwer gemacht haben, überhaupt etwas durchzubringen.

Wieso unnötig? Weil es die britische Regierung schon jetzt in der Hand hätte, dem befürchteten Sozialschmarotzertum Grenzen zu setzen: Ohne Job bzw. ausreichend Geld hat man schon heute lediglich drei Monate das Recht, sich zwecks Arbeitssuche in einem anderen EU-Staat zu befinden. Und in diesen ersten drei Monaten muss einem der Staat noch keine Sozialleistungen gewähren ...

Es mag stimmen, dass es die Briten hier nicht so leicht haben wie etwa Österreich, wo es eine Meldepflicht gibt, und wo viele Sozialleistungen - anders als in UK - von vorherigen Beiträgen abhängig sind. Trotzdem: Das zu ändern, ist Sache der Briten - und ist im Zweifelsfall sicher leichter durchzuführen, als eine Änderung der EU-Verträge durchzusetzen ist.

Und dann ist da noch die Frage, ob Cameron sich überhaupt das richtige Ziel ausgesucht hat: Das Wall Street Journal ist in einem aktuellen Blog-Beitrag der Frage nachgegangen, ob tatsächlich so viele EU-Ausländer vor allem deshalb nach UK kommen, um Sozialleistungen zu kassieren. Die Antwort: "Wahrscheinlich nicht." Die wahre Anziehungskraft ist kein Ruhmesblatt für die konservative Regierung, sie besteht laut den Experten nämlich eher darin, "dass Großbritannien richtig gut darin ist, schlecht bezahlte Jobs zu schaffen".

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