Baerbock in Sarajevo: Westbalkan "nicht Russland überlassen"

POLAND-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT
Die bosnische Außenministerin pocht beim Treffen mit ihrer deutschen Amtskollegin auf einen EU-Kandidatenstatus.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock will angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine eine engere Anbindung des Westbalkan an die EU vorantreiben. Bei einem Besuch in Bosnien-Herzegowina sagte sie am Donnerstag nach einem Treffen mit Außenministerin Bisera Turković in Sarajevo: "Dieses Land gehört zu Europa." Deswegen müsse gemeinsam intensiv und schneller an einer Beitrittsperspektive gearbeitet werden.

Zugleich warnte Baerbock angesichts nationalistischer Tendenzen vor einer Destabilisierung der Region. "Deswegen müssen und werden wir denen Einhalt gebieten, die den Frieden hier in Bosnien und Herzegowina aus selbstsüchtigen Motiven aufs Spiel setzen", sagte Baerbock. Gemeinsam mit seinen Partnern werde Deutschland "keine Erosion der Sicherheitslage zulassen". Unterstützung gebe es künftig nur für jene, die sich für die Stärkung des Landes einsetzen und nicht für jene, die es schwächen und destabilisieren wollten.

Warnung vor Abspaltungstendenzen 

Baerbock spielte damit auf den bosnischen Serbenführer Milorad Dodik an, der in den vergangenen Monaten daran arbeitete, den serbischen Landesteil aus dem bosnischen Staatsverband herauszulösen. Dabei genießt er die Unterstützung Russlands. Die Ministerin betonte: "Wirtschaftliche Interessen und unser Einstehen für fundamentale Werte gehören Hand in Hand zusammen." Deutschland ist einer der größten Investoren in Bosnien-Herzegowina.

Bosnien, das in Folge des Zerfalls Jugoslawiens vor rund 30 Jahren von einem blutigen Krieg mit 100.000 Toten überzogen wurde, hat eine Beitrittsperspektive für die Europäische Union, aber noch keinen Kandidatenstatus. Turković verlangte ein abgekürztes Verfahren für die Zuerkennung des Kandidatenstatus sowie einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. "Wir glauben, dass dies ein starker Beitrag zum Frieden in Bosnien (...) und in Europa wäre", sagte sie. Derzeit sei der Westbalkan "eine Schwachstelle Europas" und mithin "ein Ort, an dem die Stärke und außenpolitische Rolle des wohlhabendsten Bündnisses der Welt demonstriert werden muss".

Baerbock hatte vor ihrem Abflug nach Sarajevo gesagt, sie reise auf den Westbalkan, "um deutlich zu machen, dass wir diese Region im Herzen Europas nicht dem Einfluss Moskaus überlassen werden".

Treffen mit "Müttern von Srebrenica"

Nach einem Treffen mit dem Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien, dem früheren CSU-Bundespolitiker Christian Schmidt, sagte Baerbock, dessen Arbeit zeige, dass es eine internationale Verpflichtung gebe, für dauerhaften Frieden in der Region zu sorgen. Schmidt forderte von den Verantwortlichen in Bosnien-Herzegowina einen Beitrag zu mehr Stabilität. Kürzlich hatte er angesichts nationalistischer Bemühungen des Serbenführers Dodik vor einer Spaltung gewarnt und Sanktionen der EU ins Gespräch gebracht.

In Sarajevo traf sich Baerbock auch mit Vertreterinnen der Opferorganisation "Mütter von Srebrenica". Beim Völkermord von Srebrenica hatten serbische Truppen 1995 die dortige UNO-Schutzzone überrannt und mehr als 8.000 muslimische Männer und Buben ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Es wurde vom Internationalen Gerichtshof (IGH), dem höchsten UNO-Gericht, als Völkermord eingestuft.

Zuvor hatte Baerbock gemeinsam mit der Bürgermeisterin von Sarajevo, Benjamina Karić, sowie den Bürgermeistern von Banja Luka und Mostar die Altstadt besichtigt. Dabei besuchte sie die serbisch-orthodoxe Kathedrale, die Hauptmoschee, die Alte Synagoge und die katholische Kathedrale der Stadt. In Sarajevo gibt es seit Jahrhunderten eine große religiöse Vielfalt.

Am Abend waren in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina Gespräche Baerbocks mit Staatspräsidentin Vjosa Osmani und Ministerpräsident Albin Kurti geplant. 

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