Moshé Feldenkrais: Aus Prinzip gegen Prinzipien
Das Foto des siebzigjährigen israelischen Premierministers, der am Strand des Badeorts Herzliya Kopfstand machte, ging 1957 um die Welt. Der notorisch unsportliche Ben-Gurion, der zeitweise unter derart starken Rückenschmerzen gelitten hatte, dass er in der Knesset, dem israelischen Parlament, nicht ohne Hilfe aufstehen konnte, wurde von Moshé Feldenkrais nicht nur geheilt. Weit mehr als das.
Körper & Geist
Wer war dieser Moshé Feldenkrais, dessen Nachname wir stets mit der Methode in Verbindung bringen und dabei meist nur vage wissen, dass sie irgendetwas mit der Einheit zwischen Körper und Geist, mit der "Muskulatur der Seele" zu tun hat? Dessen Anhänger Staatspräsidenten, aber auch Musiker wie Yehudi Menuhin, Dichter wie Paul Celan oder die Ethnologin Margaret Mead waren?
Der Journalist und Judaistik-Experte Christian Buckard hat sich nun dem "Menschen hinter der Methode" gewidmet. Pointengespickt und reich an politischen Hintergründen, vermag diese Biografie auch jene zu begeistern, die sich nicht vorrangig mit Selbsterkenntnis-Forschung beschäftigen.
Lebenslanges Lernen, Begeisterung am Entdecken und Neugierde zeichneten Feldenkrais aus: Mit über 60 lernte er schwimmen und Klavier spielen. Eine Philosophie, die er von seiner Mutter übernommen hatte. Sheindel Feldenkrais hatte mit 80 noch mit Ölmalerei begonnen. Sie fand, jeder Mensch könne auch im hohen Alter alles erlernen.
Leben & Tod
Begriffe wie „ganzheitlich“ sind heute selbstverständlich. Der aus der Ukraine stammende Ingenieur, Forscher und Selbstverteidigungsspezialist Moshé Feldenkrais (er war der erste europäische Träger des Schwarzen Gürtels in Judo) entdeckte das bewusstheitsschärfende Potenzial der leichten Bewegung lange, bevor die Hirnforschung das Zusammenspiel von Körper und Geist erkannte.
Seine Methode hilft heute weltweit kranken und gesunden Menschen, ihre Möglichkeiten zu erforschen. Dieses körperorientierte, pädagogische Verfahren fußt auf dem Gedanken, dass sich mittels Selbstwahrnehmung grundlegende menschliche Funktionen verbessern und Schmerzen reduzieren lassen. „Sich selbst zu erkennen, scheint mir das Wichtigste, was ein Mensch für sich tun kann“, war Feldenkrais’ Motto. Im Zentrum der Methode steht die Annahme, dass sich Lernen auch über die Kindheit hinaus fortsetzen lässt. Feldenkrais verbrachte einen Gutteil seines Lebens damit, andere Menschen zu lehren, wie man leichter, seinen eigenen Möglichkeiten gemäß, lebt. Er war überzeugt davon, dass er kein Nervensystem, keine Augen, keine Arme und keine Psyche heilte, sondern immer den ganzen Menschen. In seiner Behandlung ging es nicht um Symptome oder Diagnose, sondern um Begegnungen. Natürlich kann man mit Feldenkrais keine Karies oder keinen Grauen Star behandeln. Doch Büroangestellte lernen schmerzfrei zu sitzen, Musiker lernen zweckmäßige Bewegung, Schauspieler etwa angemessene Koordination von Atmung und Bewegung. „Die Feldenkrais-Methode ist wunderbar, wenn auch ein bisschen langweilig“, erklärte Schriftsteller Yoram Kaniuk seine Erfahrung mit der Behandlung, die seine Rückenschmerzen geheilt hatte: „Eigentlich liegt man dabei nur. Aber du ziehst daraus sehr viel Energie, du weißt vorher ja gar nicht, dass du all diese Muskeln überhaupt besitzt!“
Weltweit wird die Methode in Gruppenstunden, aber auch im Einzelunterricht praktiziert. In Wien etwa im Feldenkrais-Institut Taborstraße. www.feldenkraisinstitut.at
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