Was der Mensch in der Silvesternacht verträgt
Das Café Falk im transdanubischen Wien, kurz bevor die Wagramer Straße den Kagraner Platz küsst: Eines der letzten Kaffeehäuser Wiens, die von 0 bis 24 Uhr geöffnet haben, an 363 von 365 Tagen im schalttagfreien Jahr. "Nur am Heiligen Abend und in der Silvesternacht haben wir zu", erklärt der Kaffeesieder Wolfgang Falk. Seine Erklärung für die Schließzeit zum Jahresschluss leuchtet ein: "Weil ich mir und meinen Kellnerinnen die ganzen Fetten ersparen möchte."
Er selbst verzichtet im Dienst auf Alkohol: "Ich trinke im Kaffeehaus keinen Schluck." Ein Mitgrund, warum er mit seinen 58 Jahren auch noch um 6 Uhr in der Früh frisch und munter wirkt.
Heute, zum Jahreswechsel, wird sich auch der Kaffeesieder ein Schluckerl gönnen. Und niemand Geringerer als der österreichische Papst der Suchterkrankungsmedizin, Michael Musalek, will ihm davon nicht abraten: "Das Kriterium ist ja nicht, wie viel Alkohol einer in der Silvesternacht trinkt. Viel entscheidender ist das Vorher und das Nachher."
Populäre Irrtümer
Der Professor redet sich seit Jahren den Mund trocken, um all die Mythen rund um das Trinken zu entkräften. Auch im Café Falk, das bis in die 1970er-Jahre als berüchtigt galt (ab und zu spuckte hier ein allzu Unvorsichtiger einen Zahn aus), hört man dann und wann, dass man den Rausch gut mit Wasser und üppigem Essen vermeiden kann.
Musalek schüttelt dazu den Kopf: "Das Wasser hilft wie beim Kaffeetrinken gut gegen den Wasserentzug im Körper. Wer meint, mit Wasser und Essen die Wirkung des Alkohols zu verhindern, der irrt. Damit wird die Wirkung nur verzögert." Den Moment, wenn es genug ist, kennen beide, der Chef im Falk und der Leiter des Anton-Proksch-Instituts in Kalksburg (vom Volksmund immer noch "die größte Trinkerheilanstalt Europas" genannt).
Wenn das System kippt
Wolfgang Falk betont, dass er sich seine Stammkundschaft über die Jahre erzogen hat. So erfährt man heute in Kagran nur mehr die enthemmende, euphorisierende, schmerzlindernde Wirkung alkoholischer Getränke. Jene, bei denen das System regelmäßig kippt, bleiben längst aus – die muss der Suchtexperte früher oder später in Kalksburg zur Therapie begrüßen.
Musalek will aber auch keine Spaßbremse sein, was im Land von 350.000 Alkoholkranken wohl auch einem Zugeständnis an traditionelle Gewohnheiten entspricht: Zwei, drei Flöten von einem Qualitätschampagner hält er zumindest bei gesunden Menschen für verträglich.
Und Wolfgang Falk? Der sperrt am Neujahrstag um 15 Uhr auf. Traditionell lädt er dann seine Gäste ein. Zu einer Runde Krapfen.
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