Mehrsprachig entwickeln sich Kinder besser
Jedes fünfte Kind im Vorschulalter in Österreich wächst mehrsprachig auf. Der anschließende Bildungsalltag ist jedoch stark einsprachig, also deutsch, geprägt. Stefan Schneider vom Institut für Romanistik an der Uni Graz hat in einem neuen Buch insbesondere den Forschungsstand zum Spracherwerb in den ersten drei Lebensjahren dokumentiert. Seine Erkenntnis: Mehrsprachigkeit ist buchstäblich ein Wortschatz, den es noch zu heben gilt.
Mehrsprachigkeit ist nichts Außergewöhnliches, widerspricht Schneider der vor allem in Europa und Amerika vorherrschenden Meinung von Monolingualität. Bis in die 1950er-Jahre galten zweisprachig aufwachsende Kinder als weniger intelligent. Diese Vorurteile sind mittlerweile abgebaut. „Mehrsprachigkeit fördert die kognitiven Fähigkeiten“, fasst Schneider den aktuellen Forschungsstand zusammen. „Es dürfte eine höhere Flexibilität bewirken und das Umschalten im Gehirn erleichtern.“
Für die Kinder spielt der Mix an Sprachen keine Rolle. „Sie wollen effizient kommunizieren“, bestätigt der Wissenschafter, der Romanistik an der Uni Graz lehrt. Zahlreiche Studien belegen: Mehrsprachigkeit ist heute der Normalfall – auf den jedoch beim Schuleintritt wenig Rücksicht genommen wird: „Kinder mit Migrationshintergrund werden mit Deutsch überfallen. Es wäre notwendig, den Unterricht mit der Erstsprache zu beginnen und Deutsch als weitere Schulsprache zu erlernen.“ Bereits im Kindergarten sollte der Erstsprache, der von den Eltern weitergegebenen Sprache, mehr Augenmerk geschenkt werden. „Kinder sollen nicht das Gefühl haben, dass ihre Familiensprache minderwertig ist“, so der Autor.
„Es kann auch einiges schiefgehen“, verweist Schneider auf Faktoren, die den bilingualen Erwerb negativ beeinflussen können. „Die Akzeptanz kann vom Prestige der jeweiligen Sprache abhängen.“ Beispielsweise komme Italienisch besser an als Türkisch. Das soziale Umfeld sei ebenso mitentscheidend. „Wenn eine Sprache weniger stark verwendet wird, weil etwa ein Elternteil seltener daheim ist, müsste man dieses Defizit, zum Beispiel mit Reisen in dieses Land ausgleichen. Das kann sich nicht jeder leisten“, weiß Schneider.
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