Wir wollen doch nur spielen

Wir wollen doch nur spielen
Warum das Handy-Ratespiel so erfolgreich ist

Zwanzig Sekunden hat Armin für eine Frage Zeit. Sechs Runden duelliert er sich mit einem Freund und muss jeweils drei Fragen mit vier Antwortmöglichkeiten beantworten. Sein Gegner sitzt, ebenfalls mit Smartphone bewaffnet, auf der Couch und legt los, sobald Armin mit einer Runde fertig ist.

Der 25-jährige Student und Grafikdesigner spielt Quizduell, ein Ratespiel für Smartphone und Tablet. Mit 15 Millionen Nutzern ist sie derzeit die erfolgreichste Spiele-App. Eine Art "Millionenshow" fürs Handy – als solche betrachtet sie der Soziologe Axel Franzen. Er lehrt an der Universität Bern und veröffentlichte eine Studie über die Motive und den Bildungsgrad von Kandidaten der Show "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch. Im KURIER-Gespräch zieht er den Vergleich: "Jeder kann mit der App seine eigene Millionenshow spielen, mit dem Unterschied, dass Sie den Gegner selbst wählen, genauso wie die Kategorien." 25.000 Fragen umfasst die deutsche Version von Quizduell. Armin ist in den Bereichen Technik, Kinofilme, Körper und Geist stark. Weniger bei TV-Serien, Sport und Freizeit. "Das direkte Messen mit dem Gegner macht für mich den Reiz aus", sagt der 25-Jährige. 750 Spiele hat er bisher absolviert. 70 Prozent der Duelle konnte er für sich entscheiden.

Spaß, Unterhaltung und Wettbewerbsdenken sind für Soziologe Franzen die Motive, warum sich Menschen für Quizspiele im Radio, Fernsehen oder Internet begeistern. Erfolgreich sind jene mit Bildung und vielen Freunden. "Personen mit einer höheren formalen Bildung sowie jene, die viele Bücher, Zeitschriften und Zeitungen lesen, haben einen Vorteil in solchen Shows. Auch jene mit einem großen Netzwerk. Sie haben eine breitere Auswahl, einen Telefonjoker von hoher Güte zu wählen."

Besserwisser

Viele Teilnehmer von Quizshows sehen darin die Chance, mit ihrer Bildung zu profilieren – ohne als Besserwisser abgestempelt zu werden. "Musische und sportliche Fähigkeiten lassen sich im Alltag sehr gut zeigen. Bei Wissen und Bildung ist es schwieriger, das ist sozial nicht erwünscht. Man gilt schnell als Besserwisser. Quizshows bieten einen geeigneten Rahmen, um sein Wissen zu demonstrieren, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen."

Student Armin findet, dass er durch die Duelle sein Allgemeinwissen stärken konnte, aber "wirklich schlau wird man dabei nicht". Dem stimmt Axel Franzen zu. "Viele Fragen sind trivial, der Bildungsgehalt ist häufig gering. Das ist bei der Millionenshow genauso. Aber es gibt auch Fragen, die zum Nachdenken anregen und Menschen dazu veranlassen, mehr zu lesen und zu recherchieren." Tricks und Anekdoten über das Quizduell gibt es jetzt auch in Buchform. Der schwedische App-Hersteller "Feo Media" hat seine Erfolgsgeschichte veröffentlicht. Ganz analog.

... das erste Quiz der Welt zur Entstehung des Begriffs „Quiz“ führte? Ein irischer Theaterdirektor wettete 1791, dass es ihm gelingen würde, ein neues Wort einzuführen. So schrieb er in Dublin das Wort „Quiz“ auf Hauswände. Zwar konnte niemand etwas damit anfangen, aber alle sprachen darüber. Etymologen meinen aber, dass sich das Wort vom englischen Begriff „question“ (Frage) ableitete.

... der größte Quizshow-Skandal Ende der 1950er in den USA aufgedeckt wurde? Die Kandidaten zweier TV-Quizshows erhielten über Jahre hinweg die Antworten vorab von Sender-Mitarbeitern.

... jährlich der weltbeste Quizzer gekürt wird? Seit 2003 spielen bei der Quiz-WM weltweit 2000 Spieler an einem Tag gegeneinander. Der amtierende Weltmeister ist der Ire Pat Gibson (53). Er gewann bereits bei der britischen Ausgabe der „Millionenshow“ eine Million Pfund.

Mit bunten Vögeln auf Schweine schießen, in Wissensfragen gegen Freunde und Kollegen antreten oder ein virtuelles Puzzle lösen – sogenannte Casual Games haben in den vergangenen Jahren einen Siegeszug angetreten. Dank Smartphone und Social Networks sind die Spiele, die mit geringem technischen Aufwand nebenher gespielt werden können, zu einem kurzweiligen Zeitvertreib im Alltag geworden. Sei es am Weg zur Arbeit, in der Mittagspause oder zuhause auf der Couch.

Doch nicht alle Games schaffen es zum großen Durchbruch. Hinter den Erfolgen von Angry Birds, Quizduell und Candy Crush Saga stecken Strategie, richtiges Marketing und auch immer ein bisschen Glück. „Einerseits könnte man sagen, ein Casual Game braucht eine einfache Spielmechanik. Es braucht ein klares und intuitives Interface und es muss eine gute Balance schaffen zwischen einem leichten Vernügen und einer motivierenden Herausforderung“, erklärt der Wissenschaftler und Games-Experte Konstantin Mitgutsch im KURIER-Interview. Doch diese Parameter seien nicht automatisch als Rezept zu verstehen.

„Man kann nicht sagen: Machen Sie das, dann wird Ihr Spiel ein Hit“, sagt Mitgutsch. Ein gutes Beispiel dafür sei der Angry-Birds-Entwickler Rovio. „Die Firma hat unglaublich viele Games herausgebracht, bevor mit dem Vogelspiel ein Hit gelungen ist.“ Zudem spielt auch die Platzierung in den App-Stores laut dem Experten heute eine große Rolle. „Das Spiel muss im Idealfall schnell nach dem Erscheinen in die Top Ten, um überhaupt gesehen zu werden“, sagt Mitgutsch.

Vorreiter Moorhuhn

Angry Birds zählt inzwischen mehr als 500 Millionen Downloads und kann sich seit Jahren in den Top-Ten-Listen der beliebtesten Apps halten. Doch schon lange vor Smartphone- und Tablet-Games haben Mini-Spiele die Nutzer begeistert. Der Computerspielklassiker Snake etwa fand sich bereits auf vielen Nokia-Handys aus den 90er-Jahren. Ein bekannter Vorreiter war das Moorhuhn. Die erste Version des PC-Spiels erschien 1999. Und auch das Kartenspiel Solitär ist bis heute ein Dauerbrenner unter den Büro-Games. „Moorhuhn war, was diesen besonderen Durchbruch betrifft, sicher ein Vorreiter“, sagt Mitgutsch. Mittlerweile gibt es das Spiel in vielen verschiedenen Versionen, auch für iPhone und iPad.

Das Prinzip der Mini-Spiele funktioniert im Umfeld von sozialen Netzwerken, wo man Spielstände oder Erfolge mit Freunden teilen und gegen diese antreten kann, besonders gut. Ein herausragendes Beispiel ist der Facebook-Hit Farmville. „Es gibt unterschiedliche Wege, um zum Erfolg zu kommen. So gibt es Firmen wie Facebook, die hier clever und strategisch arbeiten“, sagt Mitgutsch. Dabei sei die Produktion der Games selbst nicht der Trick, sondern die Weiterverarbeitung und das Reagieren auf die Nutzervorlieben. „Da geht weit mehr Aufwand in das Erhalten als in die Kreation des Spiels.“

Wie lange so ein Spiel in der Gunst der Nutzer bleibt, ist schwer vorherzusagen. Grundsätzlich unterscheidet der Experte zwischen drei Nutzertypen: Leute, die nur kurz reinspielen; Leute, die ein bisschen intensiver spielen, also auch versuchen einige Levels zu schaffen; und Leute, die es richtig intensiv spielen. Letztere seien dann jene, die meist sehr viel über die Games sprechen und damit auch andere zum Spielen motivieren.

Kommentare