Wenn Roboter uns im Alter pflegen

Wenn Roboter uns im Alter pflegen
Auch in Österreich sind sie bereits im Einsatz.

In Zukunft werden wir zu wenig Betreuungspersonal für ältere pflegebedürftige Menschen haben, nicht nur in Österreich, weltweit ist der Engpass - nach Expertenschätzungen - absehbar.

Darum wird in den letzten Jahren immer häufiger über den Einsatz von Pflegerobotern diskutiert – so auch die Bioethikkommission des Bundeskanzlers ganz aktuell. "Wir haben uns das Thema des Robotereinsatzes in der Pflege bewusst vorgenommen, um damit die notwendigen ethischen, rechtlichen aber auch praktischen Fragen aufzuwerfen, die sich aus dieser technologischen Entwicklung für unsere Gesellschaft ergeben", so die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml.

Wenn Roboter uns im Alter pflegen
Tagung der österreichischen Bioethikkommission.

Der Bedarf der Menschen

Die Tagung zum Thema "Von Mensch und Maschine: Roboter in der Pflege" fand kürzlich unter Beteiligung internationaler Experten statt, die aus Wissenschaft und Praxis berichteten. In der Debatte wurden ethische Implikationen und gesellschaftliche Konsequenzen von maschineller Versorgung behandelt, aber auch erste empirische Erfahrungen und Fragen der praktischen Umsetzung. Einerseits sollen die Roboter die mangelnden Personalressourcen ausgleichen, andererseits erwarte man sich eine Kostenersparnis, so die Propagierung. Als Bioethiker sei man dazu verpflichtet, so der Tenor in der Expertenrunde, diese Behauptungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Technologieentwicklung sich am Bedarf der Menschen orientiert, und nicht umgekehrt das technisch Mögliche die Anwendungsgebiete vorgibt.

Betreuung für Demente

Den Einsatz von möglichst menschenähnlichen Robotern sehe man als ein sehr politisches und auch ideologisch belastetes Thema. Sinnvoll könnte man sie beispielsweise bei der Betreuung dementer Menschen einsetzen, um Impulse für Interaktionen zu setzen. Zudem müsse zwischen reinen Assistenzleistungen und stärker autonomen Robotern unterschieden werden. "Hier geht es auch um die Frage, wie wir mit Fehlleistungen von Robotern umgehen würden", so Mark Coeckelbergh vom Institut für Philosophie der Universität Wien. Ein assistierender Robotereinsatz unter menschlicher Überwachung sei weniger strittig als stärker autonome Varianten.

Roboter in Österreich bereits im Einsatz

Ein grüner Kegel mit Glaskopf - im Haus der Barmherzigkeit düst Roboter Henry schon seit April 2013 durch die Gänge, quasi als Testlauf. Er soll möglichst lange ohne menschliche Hilfe in einem echten Arbeitsumfeld zum Einsatz kommen, ein eventueller Einsatzbereich ist der Pflegesektor, daher ist das Pflegewohnheim nun sein zuhause. "In jedem Projektjahr kommt der Serviceroboter Henry zu uns, wo er auf seine Alltagstauglichkeit getestet wird. Wir führen während der Testläufe sozialwissenschaftliche Begleitstudien durch, um zu sehen inwiefern der Roboter von Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern akzeptiert wird“, sagt Denise Hebesberger von der Akademie für Altersforschung. Das Ganze ist Teil des EU-finanzierten Projekt STRANDS. Gemeinsam mit technischen Partnern von diversen europäischen Hochschulen und Universitäten entwickelt man einen Langzeit-autonomen Roboter.

Wenn Roboter uns im Alter pflegen
Henry ist ein Serviceroboter und erfüllt unterschiedliche Hauptaufgaben: Er bietet einen mobilen Infoservice für Mitarbeiter und Bewohner an. Dazu fährt er im Erdgeschoß zu verschiedenen Punkten, wo Interessenten Infos zum täglichen Mittagsmenü, aktuellen Neuigkeiten aus Wien, Bildergalerien, Infovideos oder Wetterinfo auf seinem Touchscreen aufrufen können. Die Icons und das Menü sind dabei so gestaltet, dass sie auch von älteren Menschen leicht benutzt werden können. Henry bietet bei großen Veranstaltungen im Haus auch einen "Bringdienst“ an. Ortsunkundige Besucher können dabei Ziele im Erdgeschoß eingeben und der Roboter geleitet sie dann zum Ziel.

Henry beim Nordic Walking

"Außerdem begleitet Henry auch zweimal unsere wöchentlich stattfindende Nordic Walking Gruppen für Bewohner mit Demenz im Rahmen ihrer Physiotherapie. Da die Gruppe dabei meistens singt, spielt der Roboter bekannte Wanderlieder. Dies soll als Unterhaltung aber auch als akustische Stimulation dienen.“ Henry solle helfen die Gruppe zusammen zu halten und für die "Wanderer“ als Fokuspunkt dienen. Während Rastsituationen sorge er ebenfalls für Unterhaltung indem er Musik, Bilder oder Videos abspielen kann. "Der Roboter wurde zu Beginn als amüsante Abwechslung zum Arbeitsalltag betrachtet. Allerdings konnten wir feststellen, dass die Erwartungen gegenüber dem Roboter und seiner Funktionalität sehr hoch waren und immer noch sind. Gegenwärtig ist die Technik noch nicht so weit, wie wir sie aus Science Fictions kennen, oft kommt es zu Problemen bei der Navigation oder die Funktionen laufen nicht robust, Fehler treten auf.“ Denn läuft der Roboter nicht einwandfrei, werde er rasch als zusätzliche Belastung und anstrengend erlebt.

Ältere Menschen sind interessiert

Durch seine äußere Gestalt mit angedeutetem Kopf und Augen würden ihn viele vermenschlichen und versuchten mit ihm zu sprechen. "Leider ist jedoch die Spracherkennung technisch noch nicht so weit, als dass sie in einem belebten Umfeld einwandfrei funktionieren würde. Daher haben wir ihm kaum sprachlichen Output einprogrammiert, da wir gesehen haben, dass Benutzer sonst rasch enttäuscht sind, wenn Henry nicht antwortet“, sagt Hebesberger. Sie selbst habe beobachtet, wie Bewohner Henry verzweifelt fragten, warum er nicht mit ihnen spricht. Dass ältere Menschen gegenüber moderner Technik eher skeptisch sind, konnte das Team im Haus der Barmherzigkeit nicht bestätigen. Im Gegenteil, sie seien durchaus interessiert. Generell ist Hebesberger aber der Meinung, dass der zwischenmenschliche Kontakt, das Gespräch, die Berührung nicht durch Roboter ersetzt werden könnten. Und auch nicht sollen. Roboter sollten Assistenten sein, die dem Pflegepersonal kleinere Hilfstätigkeiten abnehmen. "In diesem Sinn möchte ich auch betonen, dass Henry kein Pflegeroboter ist“.

Alles anders in Japan

Während die Bioethiker, Pfleger und Altersforscher hierzulande also sehr vorsichtig mit dem Beurteilen von Pflegerobotern sind, überschlägt man sich in Japan mit einschlägigen Entwicklungen. Nirgendwo anders auf der Welt ist man so weit. Dort, wo der demografische Wandel noch weiter fortgeschritten ist als in Österreich, gibt es bereits Pflegeroboter mit extra angefertigten und kräftigen Armen, die alte Menschen aus dem Bett heben können.

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