Welt-Roma-Tag: "Wir sind genauso viel wert"

Selbstbewusste Roma-Vertreter: Danijela Feichtinger, Irina Spataru, Samuel Mago
Heute wird weltweit die Unterdrückung einer Minderheit thematisiert. Drei Roma bieten den Vorurteilen ihre Stirn.
Von Uwe Mauch

Es gibt keine konkreten Zahlen, nur vage Schätzungen. Diese gehen von 40.000 bis 100.000 Roma in Österreich aus. Roma gelten neben den Volksgruppen der Burgenlandkroaten, der Slowenen, Ungarn, Tschechen und Slowenen als eine anerkannte nationale Minderheit.

In Europa schätzt man die Zahl der Roma auf rund zwölf Millionen. Egal ob in Zentral- und Mitteleuropa oder in Frankreich oder auf der iberischen Halbinsel, überall beklagen sie ihre Diskriminierung.

Schade, denn ihre über 1000 Jahre alte Tradition ist Teil der großen europäischen Erzählung. Einzigartig sind unter anderem der Wortreichtum in ihren Sprachen, ihre Erzählkunst und ihre Musik.

Die größte Leistung der Roma, die in ungefähr 30 länderspezifische Untergruppen leben, ist aber ihr Durchhaltevermögen. Sie haben nirgendwo Rückhalt, sind auch untereinander noch immer kaum vernetzt, und doch bilden sie überall Gemeinschaften. Am Rande.

Weltbekannte Künstler wie Charly Chaplin, aber auch Sportler und Wissenschaftler waren bzw. sind Roma. Manche wollen das übrigens nicht an die große Glocke hängen. Wenig bekannt ist auch, dass Jazz und Flamenco ursprünglich von Roma geprägt wurden. Im Gespräch mit dem KURIER fällt der Satz: "Wir sind genauso viel wert."

Die Sozialarbeiterin: „Ich war

sehr gerne bei meinen Großeltern“

Sie wurde in der westserbischen Stadt Šabac geboren. 1979. In einer Zeit, als man noch als Jugoslawin geboren wurde und Tito noch am Leben war. Erzählt Danijela Feichtinger.

Ihre Mutter stammt aus einer serbischen Roma-Familie. Sie hat eine Fachschule für Modedesign absolviert, sie hat mit ihren liberalen Ansichten über andere Volksgruppen beeindruckt: „Auch deshalb, weil sie von ihren Schwiegereltern ständig ordinär beschimpft wurde.“

Danijela Feichtinger kam 2001 nach Wien. Heute arbeitet sie als Sozialarbeiterin im Romano Centro, das in einem Wohnhaus in Wien-Erdberg ansässig ist. Mit großer Leidenschaft betreut sie dort Tag für Tag Familien unterhalb der Armutsgrenze.

Dass sie eine Romni ist, hat sie immer gewusst: „Ich war sehr gerne bei meinen Großeltern, die so gar nicht zu den ständigen Unterstellungen und Beschimpfungen passten, ganz im Gegenteil. Und ich habe meine Mutter bewundert, die eine wunderschöne Frau war und die dennoch viel Böses über sich ergehen lassen musste.“

Erst nach dem Tod ihrer Mutter kam Danijela Feichtinger ihrer Volksgruppe näher: „Ich habe mich zuvor nie für meine Herkunft geschämt, aber richtig bewusst ist sie mir erst geworden, als meine Mama nicht mehr da war.“

Dass sie dank ihrer Haut- und Haarfarbe weniger skeptisch angesehen wird, ist ihr bewusst. Als Sozialarbeiterin versucht sie, allen Hilfesuchenden zu vermitteln, „dass sie nicht weniger wert sind als andere“. Und allen Roma-Mädchen sagt sie zusätzlich, und das mit Nachdruck, „dass sie genauso viel wert sind wie Roma-Burschen“.

Die Studentin: „Ich will meine

Herkunft nicht verheimlichen“

Sie wurde in der rumänischen Hauptstadt Bukarest geboren. 1990. Wenige Monate nach dem blutigen Aufstand der Rumänen gegen einen brutalen Diktator. Erzählt Irina Spataru.

Ihr Vater stammt aus einer rumänischen Roma-Familie. Der akademische Bildhauer wurde während der Ceaușescu-Zeit nicht nur politisch verfolgt: „Er litt auch unter der Ablehnung in seinem privaten Umfeld und unter der Diskriminierung der Roma ganz allgemein.“

Irina Spataru kam 1991 nach Wien. Heute studiert sie im Masterstudium Translation. Sofern es ihr Studium zulässt, engagiert sie sich nebenbei in österreichischen und auch in internationalen Gremien für junge Roma und deren Gleichbehandlung.

Dass sie eine Romni ist, erfuhr sie erst im Alter von 13 Jahren: „Damals lief im Fernsehen der französischer Film Gadjo Dilo, und ich habe die Hauptdarstellerin, die eine Romni war, sofort ins Herz geschlossen.“ Ihren Eltern erklärte sie am Ende des Films euphorisch: „Ich will so sein wie sie.“ Worauf ihr der Vater eröffnete: „Du bist wie sie.“

Erst nach den Gesprächen mit ihrem Vater kam Irina Spataru ihrer Volksgruppe näher: „Ich habe dann schnell bemerkt, dass niemand über die Roma bescheid weiß und dass man die Sprache in keinem Kurs lernen kann.“

Dass sie dank ihres Selbstbewusstseins weniger skeptisch angesehen wird, ist ihr bewusst. Als Aktivistin versucht sie, anderen zu vermitteln, „dass es kein Nachteil ist, wenn man Rom oder Romni ist“. Sie selbst sei eine Wienerin aus Rumänien mit französischem Pass und Roma-Wurzeln: „Ich will meine Herkunft nicht verheimlichen.“

Der Schriftsteller: „Hör endlich

auf, denn ich bin auch einer!“

Er wurde in der ungarischen Hauptstadt Budapest geboren. 1996. In einer Zeit, als die Magyaren noch von Demokratie und vom West-Wohlstand träumten. Erzählt Samuel Mago.

Sein Vater, ein in Budapest und in Wien ausgebildeter Konzertviolinist, stammt aus einer angesehenen ungarischen Roma-Familie, seine Mutter wiederum aus einer jüdischen Familie. Dramatisch-traumatisch: „Beide Familien wurden von den Nationalsozialisten verfolgt.“

Samuel Mago kam 2000 nach Wien. Heute versucht er sich als Journalist, unter anderem für das jüdische Magazin Nu, und als Schriftsteller einen Namen zu machen. Gemeinsam mit seinem Bruder Karoly schreibt er derzeit an seinem ersten Erzählband.

Dass er ein Rom ist, hat er schon als Kind mitbekommen, war auch in seiner seit dem Großvater angesehenen Musikerfamilie kein Geheimnis. Im Gymnasium in Wien hat er davon aber nichts erzählt. Bis ein Mitschüler beim Turnen einen anderen als „Zigeuner“ beschimpfte. Da entfuhr es ihm : „Hör endlich auf, denn ich bin auch einer!“

Erst nach dem Outing kam Samuel Mago seiner Volksgruppe näher: „Motiviert dazu haben mich Freunde und Lehrer. Jedes Referat bis zur Matura habe ich über Roma gehalten. Ein Engagement, das mir geblieben ist.“

Dass er dank seiner Haut- und Haarfarbe weniger skeptisch angesehen wird, ist ihm bewusst. Als Schriftsteller, der mit seinen 21 Jahren bereits sehr abgeklärt wirkt, versucht er, allen Interessierten zu vermitteln, „dass die Welt meiner großen Familie in den von Juden und Roma geprägten Pester Bezirken eine sehr spannende war“.

PS: Das Romano Centro wurde als zentrale Anlaufstelle im Jahr 1991 gegründet. Seine Mitarbeiter bieten Information über die Volksgruppe und ihre Diskriminierung, Sozialberatung und Lernhilfe. Nähere Infos hier: www.romano-centro.org

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