Verschwörung? Was ist dran an solchen Theorien?

Die Mondlandung - ein Fake?
Sie sind ein Gradmesser für gesellschaftliche Probleme, sagen Wissenschaftler.

Hitlers schwangere Geliebte wird während des Kriegs per U-Boot in die USA geschmuggelt, ihre Tochter will 40 Jahre später US-Präsidentin werden – klingt absurd und ist auch nur eine fiktive Romangeschichte. Aus der sich manche in den 1980er-Jahren eine Verschwörungstheorie zimmerten.

Wie zuvor aus der Ermordung von John F. Kennedy oder der Mondlandung, die angeblich im Fernsehstudio nachgestellt wurde.

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Warum glauben Menschen das? "Mit Verschwörungstheorien erklären sie sich, wie die Welt funktioniert. Es geschieht nichts durch Zufall, es ist alles von jemandem geplant – das ist für manche leichter zu akzeptieren, als dass Dinge einfach passieren", sagt Michael Butter, Amerikanistik-Professor an der Universität Tübingen. Seit er über Hitlers Darstellung in der Literatur geschrieben hat und auf dessen schwangere Geliebte stieß, forscht er an Verschwörungstheorien. Und gründete ein Forschungsnetzwerk, das Ursprung und Wirkung von Mutmaßungen und Gerüchten ergründen soll.

Was sich seither verändert hat: Hirngespinste und falsche Behauptungen verbreiten sich rasend schnell durch soziale Medien. Etwa Videos, die beweisen sollen, dass die Zwillingstürme des World Trade Center von innen gesprengt wurden, genauso wie zuletzt Meldungen über Flüchtlinge, die angeblich Mädchen entführen. Und Medien, die nicht darüber berichten dürfen.

Verschwörung? Was ist dran an solchen Theorien?
ATTENTION EDITORS - THIS FILE PICTURE IS ONE OF 83 TO ACCOMPANY THE TENTH ANNIVERSARY OF THE SEPTEMBER 11 ATTACKS. SEARCH FOR KEYWORD "9/11" TO SEE ALL THE IMAGES (PXP901-PXP983) The south tower of the World Trade Center bursts into flames after being struck by United Airlines Flight 175 in New York in this September 11, 2001 file photo. September 11th marks the 10th anniversary of the 9/11 attacks where nearly 3,000 people died when four hijacked airliners were used in coordinated strikes on the Pentagon and the World Trade Center towers. The fourth plane crashed in Pennsylvania. REUTERS/Sean Adair/Files (UNITED STATES - Tags: CRIME DISASTER ANNIVERSARY)
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Solche Verschwörungstheorien sind mittlerweile weit in bürgerliche Schichten eingedrungen. Sie sind ein Symptom für Dinge, die in der Gesellschaft nicht funktionieren, und zeigen, wo es Probleme gibt, erklärt Butter. Am empfänglichsten dafür sind vor allem jene, die sich ausgeschlossen und ausgegrenzt fühlen. "In Deutschland sind das Menschen weißer Hautfarbe, meist männlich und mit Abstiegsängsten – das typische PEGIDA-Publikum. Sie haben das Gefühl, dass sich ihre gewählten Vertreter nicht mehr um ihre Belange kümmern. Und kommen daher auf die Idee, dass eine groß angelegte Verschwörung im Gange ist."

Feindbilder

Massenmedien seien sowieso immer Teil dieses Komplotts. Sie liefern eine angeblich verzerrte, strategisch ausgerichtete Berichterstattung und werden abgelehnt. Extremismus-Experte und Sozialarbeiter Thomas Rammerstorfer hält dieses Misstrauen für demokratiepolitisch sehr bedenklich. Stichwort "Lügenpresse", ein Wort, das während des Nationalsozialismus für die angeblich vom "Weltjudentum" gesteuerte Presse verwendet wurde. Juden sind heute noch Feindbild und gängiges Beispiel für die vermeintliche "Ordnungsmacht", erklärt Rammerstorfer. Vor etwa 1000 Jahren wurden sie für die Pest verantwortlich gemacht, heute seien sie an Ebola und Zika Schuld, sagt der Experte. Antisemitismus zieht sich durch alle Extreme: "Ich würde es als große Gemeinsamkeit aller extremistischen Ideologien ansehen – von Rechtsextremen, Islamisten bis zu autoritären Linken." Oft kommt der Judenhass verklausuliert daher – wenn etwa die israelische Regierung den Syrien-Krieg verursacht hat. Dahinter stecken laut Rammerstorfer auch Regierungen, die gezielt Theorien streuen. Das Misstrauen mancher gegenüber dem Staat ist auch verständlich. Spätestens seit Edward Snowden weiß man, dass vertuscht und verschleiert wird. Das macht alles komplizierter.

Wer sich die Welt nicht mehr erklären kann, sucht Antworten im Netz. Allerdings schon mit vorgefertigter Meinung. In sozialen Netzwerken umgeben sie sich mit Gleichgesinnten, die ihre Meinung bestärken. Das belegten kürzlich italienische und amerikanische Wissenschaftler. Sie untersuchten 32 Facebook-Seiten und sahen sich die Postings der vergangenen fünf Jahre an. Jene, die in Gruppen Inhalte teilten oder diskutierten, sind untereinander stark vernetzt – sie grenzen sich dadurch aus und werden nicht mit Gegen-Meinungen konfrontiert.

Chemtrails

Ganz oben auf der Hitliste ihrer Verschwörungstheorien stehen derzeit Geopolitik, Umwelt, Ernährung und Gesundheit. Besonders "Chemtrails" haben es ihnen angetan: Kondensstreifen, die mit gefährlichen Substanzen versetzt sind und gezielt im Auftrag einer geheimen Gruppe versprüht werden. Im Netz kursieren sogar Empfehlungen für Medikamente und Psychopharmaka, die vor den Chemikalien schützen sollen. "Das kann lebensgefährlich sein", sagt Experte Thomas Rammerstorfer.

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Er hält unter dem Titel "Schall und Rauch" Vorträge zu Verschwörungstheorien und konfrontiert die Menschen mit ihrem unkritischen Quellen-Konsum: "Gegenüber dem, was ihr in den Tageszeitungen lest, seid ihr so unglaublich kritisch, aber was ihr auf dubiosen Internetseiten findet, glaubt ihr ungefragt – seid zumindest da genauso kritisch." Sie davon zu überzeugen ist schwierig: "Es ist ein geschlossenes Glaubenssystem, ähnlich wie bei Sekten oder anderen religiösen Fundamentalisten. Bei jenen, die total reingekippt sind, ist es nicht möglich, sie umzustimmen. Das sind etwa 10 bis 15 Prozent."

Desinformation

Ähnlich sieht es der deutsche Wissenschaftler Michael Butter: "Wer Gegenargumente präsentiert, wird als naiv abgetan oder ihm wird vorgeworfen, er sei Teil der Verschwörung, weil er Desinformation sät und dazu beträgt, die Wahrheit zu verschleiern." Anhänger von Verschwörungstheorien berufen sich dabei auf die Gurus der Szene. Die mit ihren Anhängern viel Geld verdienen – durch Bücher oder YouTube-Videos. Extremismus-Experte Rammerstorfer, der als Jugendlicher selbst in einem Verlag mit einschlägigen Autoren gearbeitet hat, ist überzeugt, dass die meisten Gurus aus Kalkül handeln.

Was sich US-Autor Timothy Benford einst beim Schreiben seines fiktiven Romans über Hitlers Geliebte dachte, ist nicht bekannt. Was aber stimmt: Hitler plante einst selbst eine Verschwörung, die ihm auch gelang. Als SS-Leute die Radiostation Gleiwitz in Oberschlesien überfielen, tarnte er dies als Angriff Polens. Und nutzte es als Vorwand, um Krieg zu führen.

Der Rest ist bekannt.

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