Türkei-Referendum: "Die Frauen sagen nein!"

Diese Frauen in Istanbul sagen nein
Die feministische Szene führt einen mutigen Kampf gegen die "Macho-Szene".

"Wir sagen nein, die Frauen sagen nein!" - diesen Slogan hört man dieser Tage oft im aufgeheizten Wahlkampf um das Verfassungsreferendum in der Türkei, bei dem am 16. April 2017 darüber abgestimmt werden wird, ob Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierungspartei AKP ihre Macht nicht nur ausbauen, sondern auch legitimieren können.

Feministische Szene in der Türkei

Denn in der Türkei gibt es eine sehr lebendige feministische Szene, die einen mutigen Kampf gegen die "Macho-Gesellschaft" führt. Bereits bei der Istanbuler Großdemonstration zum Weltfrauentag am 8. März war das Nein omnipräsent. Aber auch bei vielen Wahlkampfveranstaltungen, die für ein Nein Werben, sind Frauen aktiv.

Beispielsweise Betül Celep. Die Mathematikerin hat im Jänner dieses Jahres per Dekret ihren Job bei einer städtischen Entwicklungsagentur verloren und protestierte deswegen wochenlang auf dem Khalkedon-Platz im Istanbuler Stadtteil Kadiköy. Unterstützung erhält sie von Gewerkschaften und natürlich: Noch mehr Frauen.

"Frauen leisten Widerstand gegen die Regierung per Dekret" steht auf einem ihrer Plakate. Die feministische Bewegung in der Türkei hat erkannt, dass es nicht nur frauenspezifische Probleme sind, auf die es ankommt. Stattdessen solidarisieren sie sich zu verschiedenen Themen und versuchen, ihr Gesicht in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu zeigen.

Manifestation des Patriarchats

Der Verfassungsentwurf, über den Mitte April abgestimmt werden soll, ist in den Augen vieler Frauen eine weitere Manifestation des Patriarchats und damit nicht tragbarer Rückschritt für die Gesellschaft. Das betont auch Candan Yüceer von der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP: "Wenn am 16. April beim Referendum ein Ja kommt, dann werden die letzten Krümel der Rechte, die den Frauen mit Einführung der Republik verliehen wurden, ihnen noch geraubt werden."

Wenig anders sieht das Melek Özman von der Plattform der "Nein-sagenden Frauen", die viele verschiedene Organisationen zugunsten der gemeinsamen Sache zusammenbringt: "Wir sind dagegen, dass das Rollenbild des Mannes, der auf den Tisch haut, den man nicht verärgern darf und dessen Wort Gesetz ist, in diesem Führungsmodell manifestiert wird. Denn das Regierungssystem, das eingeführt werden soll, würde genau das in der Politik legitimieren."

Häufig sind es natürlich die Sozialen Medien, über die sich die Frauen organisieren. In einem Aufruf heißt es: "Wir sind 40 Millionen Frauen. Wir haben die Kraft, die Verfassung, durch welche die Vorherrschaft des Mannes und das Patriarchat weiter ausgeweitet werden wird, durch welche unsere Stimme gedämpft werden wird, zu verhindern. Wir sollten entscheiden, wozu wir Ja sagen und nicht eine Reihe von Männern, die stets glauben, besser zu wissen, was gut für uns ist. Die Frauen sagen gemeinsam Nein, um ihr Leben, ihre Rechte und ihr Morgen zu verteidigen."

Mit dem Nein drücken die Frauen eigentlich viel mehr aus, als nur ihre Weigerung, beim Referendum für die Verfassungsreform zu stimmen. Sie sehen in den derzeitigen politischen Säuberungen, Massenentlassungen, wie sie auch Betül Celep getroffen hatten, und der frauenfeindlichen Politik einen Systemfehler der bestimmenden Macho-Gesellschaft und schaffen es deswegen, weitreichende Allianzen zu bilden, auch über die politischen Überzeugungen und ethnischen Zugehörigkeiten hinaus.

Männer willkommen

Aber noch etwas zeichnet die feministischen Nein-Kampagnen aus: Es gibt viel Musik und Tanz. Vor und nach den Presseerklärungen wird aus den Lautsprechern herausgekitzelt, was geht. Dann tanzen die Demonstrantinnen den typischen Halay-Tanz, bei dem man sich an den Händen fasst und einen Kreis beschreibt. Auch Männer sind hierbei übrigens willkommen. Celep und ihre Mitstreiterinnen entsprechen also nicht dem Klischee der grimmigen Feministin, vielmehr sind sie ein bunter und lebenslustiger Haufen.

Ob und inwieweit Meinungsumfragen tatsächlich ein Ergebnis vorhersagen können, sei dahingestellt. Allerdings legen die vorliegenden Werte nahe, dass es in jedem Fall knapp werden wird. Aber noch etwas scheint sich zu manifestieren: Die Frauen in der Türkei könnten beim Referendum der entscheidende Faktor für ein Nein sein. Sollten ihre 40 Millionen Stimmen nicht für ein Nein reichen, haben sie zumindest etwas anderes gewonnen: Eine breite Allianz, die über den 16. April hinaus Bestand haben wird.

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