Mario Soldo: Nur schöne Menschen verkaufen Produkte

In der Modewelt darf es mittlerweile, zumindest zum Teil, auch etwas mehr sein.
Warum Übergrößenmodels nicht die Spielregeln der Branche ändern.

Mit Ashley Graham hat es das erste Plus-Size-Model auf das Cover der Sports Illustrated geschafft, die beleibte Gossip-Frontfrau Beth Ditto wird für ihre Modekollektion gefeiert und ein Model mit Down-Syndrom läuft auf der Fashion Week New York. Es scheint, als würden die Zeiten in der Modebranche auf Umbruch stehen. Agenturchef-Mario Soldo gibt im KURIER-Interview seine Einschätzung, ob das tatsächlich so ist.

Mario Soldo: Nur schöne Menschen verkaufen Produkte

KURIER: Ist das Schönheitsideal unserer Gesellschaft im Wandel?

Mario Soldo: Ich bin mittlerweile seit 26 Jahren als Modelbooker und Agent in der Modebranche tätig und habe immer wieder einen Wandel erlebt. Vor allem in der Werbung haben sich die Parameter verschoben. In den 90er-Jahren, der Ära von Topmodels wie Cindy Crawford oder Linda Evangelista, gab es nur Mädchen mit Topfiguren. In den vergangenen Jahren hat sich aber ein Trend hin zu Plus-Size-Models abgezeichnet. Das ist eine eigene Gruppe von Models, die sagt: 'Ich bin weiblicher geformt und trotzdem schön'.

Bedeutet das, dass dünne Models vom Laufsteg verschwinden werden?

Nein, das sicher nicht. Trotzdem hätte vor 20 Jahren niemand gedacht, dass gerade in Paris ein Gesetz festgeschrieben wird, keine Magermodels mehr auf den Laufsteg zu lassen.

Wie stehen Sie zu solchen Regulierungen?

Ich finde das sehr gut. Für Mädchen, die 15, 16 oder 17 Jahre alt sind, ist es eine irrsinnige Enttäuschung, wenn sie gesagt bekommen, dass sie zu dick sind. Die Models, die teilweise über den Laufsteg staken, haben überhaupt keine Kraft. Endlich wird den Mädchen gesagt, dass sie auch jenseits der 45 oder 50 Kilogramm in der Branche erfolgreich sein können.

Sehen Sie in der verstärken Akzeptanz von Plus-Size-Models eine Annäherung an die Lebensrealität der breiten Masse oder handelt es sich dabei lediglich um einen Marketing-Gag?

Es ist definitiv kein Marketing-Gag. Es etablieren sich ja nicht nur Übergrößenmodels, sondern auch ältere Models finden immer mehr Anklang. Eine Entwicklung darauf, dass wir in Westeuropa immer älter werden. Auch in meiner Agentur bemerke ich ein steigendes Interesse an Models zwischen 35 und 55 Jahren. Früher durften Models maximal 25 Jahre alt sein.

Wenn ein Plus-Size-Model am Cover einer Modezeitschrift prangt, wird dann nicht mit der Botschaft kokettiert, dass endlich "normale" Frauen abgebildet werden?

Man muss die Kirche im Dorf lassen. Als Model, egal ob Plus-Size oder nicht, muss man einfach gut aussehen, also ein schönes Gesicht haben. Die Werbung möchte attraktive Gesichter haben und uns eine heile Welt vermitteln. Tatsache ist, dass sich ein Produkt nur mit schönen Menschen gut verkauft.

Werden Plus-Size-Models in der Branche ernst genommen?

Es gibt weiterhin nur einen gewissen Bedarf an Plus-Size-Models. Vor einem Jahr war ein rollstuhlfahrendes Model auf dem Laufsteg bei der New York Fashion Week zu sehen. Das ist eine einmalige Angelegenheit. Genauso sehe ich das bei Plus-Size Models. Wenn ein Plus-Size-Model auf einer Haute Couture Show läuft, dann tut sie das wahrscheinlich als Einzige unter vielen schlanken Models und zum Schluss.

Glauben Sie, dass man irgendwann nur noch von Models ohne den Zusatz Plus-Size spricht?

Nein. Plus-Size ist eine Kategorie und keine Diskriminierung. Man bekommt vom Kunden ein Castingbriefing und da steht dezidiert drinnen, dass er sich ein molliges Model wünscht. Wenn ein bestimmter Typ angefragt wird, muss man den auch benennen.

Wenn ein Designer Models jenseits der lange gültigen Norm bewusst als Eyecatcher oder Aufreger einsetzt, besteht dann nicht die Gefahr, sie zu exponieren?

Wenn eine Dame oder ein Herr im Rollstuhl Kleidung am Laufsteg präsentiert, ist das ein Zeichnen des Designers, dass auch sie diese Mode tragen können. Es ist natürlich ein bisschen Sensationalismus dabei, es ist aber an sich trotzdem eine gute Aktion.

Mario Soldo: Nur schöne Menschen verkaufen Produkte
Mario Soldo ist Besitzer der Wiener Modelagentur der mother agency, die nach "Faces, Charakteren und Typen" für die Werbung sucht. Außerdem war er unter anderem Juror in der ORF-Show "Helden von morgen" und Pionier der Wiener Drag-Szene.

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