Immer schön locker bleiben

Das Fest der Liebe gerät oft zur Enttäuschung. Psychotherapeut Krüger rät zu mehr Leichtigkeit.

Es gibt zwei Situationen, in denen Eheleute einander nicht aus dem Weg gehen können: Die eine ist der Sommer-Urlaub, die andere betrifft Weihnachten. Die Feiertage sind als romantisch-familiäres Hochamt gedacht und erwünscht, aber dann sitzen zwei von der Rennerei im Advent und den Krisen des Alltags erschöpfte Eheleute auf der Couch und starren leeren Blickes auf den Christbaum. Der auch noch nicht aufgeputzt ist. Und es will und will keine Stimmung aufkommen.

Da genügt ein einziger Funke, und der ganze aufgestaute Frust entlädt sich. So ein Funke kann etwa in Form eines gedankenlos gekauften Geschenks daherkommen, das weder Vorlieben noch Wünsche des Beschenkten trifft. Ein Beispiel: Als die Verlegerin Sibylle Hamtil von ihrem Mann "ein flaches Ding aus Leder" überreicht bekam– einen sogenannten "Taschenentleerer", den der Ehemann in einer Manufaktur erstanden hatte – war’s so weit: "Ich dachte: ,Das soll’s jetzt gewesen sein, das ist Höhepunkt des Jahres?‘ Ich war wirklich wütend, eine kindliche Wut."

Die Sehnsucht nach dem perfekten Weihnachtsfest ist zwar verständlich, die Umsetzung aber unwahrscheinlich. Psychotherapeut Wolfgang Krüger: "In vielen Familien gibt es kleine Streitigkeiten und Krisen, meist schweigt man sich nur noch an. Die Probleme werden nicht gelöst, das Fundament der Ehe bröckelt weg. Klar, dass die Stimmung angespannt ist, wenn alle zusammenkommen." Deshalb meint der Experte, nicht ganz uneigennützig: "Schenkt einander Gutscheine für eine Ehetherapie."

Weihnachten stellt alle auf die Probe, daher folgen an dieser Stelle Überlebenstipps aus der Praxis. Oder wie Hamtil alias Autorin Christa Kind sagen würde: So ersparen Sie sich vorweihnachtliche Nahtoderfahrungen:

Das Geschenk-Limit

"Wir haben uns als Familie zusammengesetzt und beschlossen, eine Geschenke-Obergrenze von 60 Euro einzuführen", sagt Krüger. Sibylle Hamtil hat einen anderen Weg gefunden. Sie folgt der 1:1-Regel. "Die ist ganz einfach und geht so: Kaufen Sie sich selbst vor Weihnachten so viel wie den von Ihnen Beschenkten." Sie können alternativ mit Bekannten und Verwandten auch einen Nichtangriffspakt schließen. Diese müssen Ihnen nichts schenken und dafür ersparen Sie sich geheuchelte Bewunderung ob der ach so großen Originalität des "gifts" (englisch für Geschenk). Der Vorteil: Das Abkommen kann "situationselastisch" jederzeit gebrochen werden.

Weiße Weihnachten am Strand

Immer schön locker bleiben
A cabriolet car transporting an illuminated Christmas tree and people dressed as Father Frost, the Russian equivalent of Santa Claus, drives along a road in the suburbs of Russia's Siberian city of Krasnoyarsk December 6, 2011. REUTERS/Ilya Naymushin (RUSSIA - Tags: SOCIETY TRANSPORT)
"Ich empfehle immer, wenn man Weihnachten in seiner klassischen Form nicht will, soll man verreisen, an einen weißen Sandstrand." Psychologe Krüger kennt viele Ehepaare, die dem Hü und Hott zwischen Mitternachtsmette und Verwandtschaftsbesuchen auf diese Weise entfleuchen. "Die nehmen’s leicht, stellen am Strand eine künstliche Palme auf und sagen: Das ist jetzt unser Weihnachten."

Anti-Weihnachten

Hamtil’sche Anti-Weihnachtsfeste dürften recht lustig sein. In ihrem Buch "So überlebe ich Weihnachten" beschreibt sie den Ablauf: Keiner darf Kekse oder Punsch oder Glühwein mitbringen, alles muss richtig anti-weihnachtlich sein. Von Caipirinha bis White Russian ist alles erlaubt. Aber nichts Weihnachtliches.

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Umfrage: Obwohl sich 60 Prozent der Bevölkerung auf das Fest freuen, steht Weihnachten auf einer Stressskala von 1 bis 100 auf Platz 12. Ganze 34 Prozent sind froh, wenn es vorbei ist.

Große Ausgaben: Der Geldwert eines Geschenks ist für den Beschenkten egal. Eine Umfrage am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung hat ergeben: Die Präsente sind den Beschenkten weniger wert, als sie tatsächlich gekostet haben: um 11 Prozentpunkte.

In jeder sechsten Familie ist die Atmosphäre laut Allensbach-Umfrage zum Zerreißen gespannt. In Deutschland. Aber in Österreich wird es nicht viel anders sein. Bei 5 Prozent der Familien artet die plötzliche Nähe zu Weihnachten in handfeste Schlägereien aus, sagt der Psychotherapeut Wolfgang Krüger, der schon seit Jahren kein „normales“ Weihnachtsfest mehr zelebriert. „Wir kochen gemeinsam stundenlang, dann sitzen wir zusammen und reden darüber, was jeder so im nächsten Jahr vor hat, ohne Glockenläuten und Tralala.“

KURIER: Ab dem frühen 19. Jahrhundert entwickelte sich Weihnachten zum opulenten Familienfest, was fasziniert uns an dieser Tradition?
Wolfgang Krüger: Es gibt in Familien bestimmte wiederkehrende Ereignisse: Geburtstage, der Hochzeitstag gehören dazu. Weihnachten ist das stärkste romantische Ideal. Solche feierlichen Handlungen sind berechtigt, sie erinnern daran wie das Leben sein sollte, harmonisch, friedlich. Ich bin dagegen, dass man Weihnachten abschafft, aber um den angestrebten Zustand zu erreichen, dieses Ideal, muss man relativ viel tun.

Wie gefährlich ist Weihnachten?
Es ist jedenfalls eine nicht zu unterschätzende Zeit. 40 Prozent aller Partner ziehen laut Psychologen eine Trennung ernsthaft in Erwägung. Ein Drittel der Beziehungen endet nach Weihnachten.

Wer tut sich schwerer mit Weihnachten?
Wir reagieren unterschiedlich. Frauen wollen mehr reden, haben viel mehr den Wunsch, eine Situation aufzulösen und fordern die Männer auf, zu sprechen, Männer haben eine große Fluchttendenz. Wir ziehen uns gern zurück, das gelingt zu Weihnachten nicht.

Wie lösen wir das auf?
Im Grunde müsste ich das ganze Jahr über schauen, wie es allen geht, man müsste in die Ehe, in die Familie investieren. In Wirklichkeit war da aber nur Alltag, es gab kleine Krisen und Streitigkeiten. Zu hoffen, dass friedliche Tage, dass Nähe und Erotik auf Knopfdruck gelingen, nur wegen eines bestimmten Datums, ist albern und kindisch.

Das neue Paar Fäustlinge, der Norweger-Pulli und die Salami-Torten-Eigenkreation von der Tante Mizzi unterm Christbaum waren nicht exakt das, wovon wir Buben geträumt haben. Lieb gemeint war’s dennoch. Aber beim Schreiben des Briefs ans Christkind hatten wir uns etwas gedacht. Und wenn auf dem Brief „Der He-Man von den Masters of Universe“ draufstand oder „Pitstop – ein Computerspiel“, dann haben wir schon erwartet, dass das sogenannte „Christkind“ wusste, was gemeint war.
Enttäuschung stand aber auch den Mädchen daheim ins Gesicht geschrieben. Zu Recht. Muss man denn Polly Pocket wirklich richtig buchstabieren, damit der Adressat kapiert, dass damit keine Barbie gemeint war?

Dabei waren wir Kinder der 70er und 80er im Vergleich zu den heutigen Gfrastern, die ihre Briefe als durchnummerierte Listen mit Chargennummern abgeben, eh bescheiden und lieb. Wir haben Zettel und Kuvert mit gemalten Christbäumen, Tannenreisig und Kerzen verziert. Wir haben das „liebe Christkind“ ersucht, uns aus dem Playmobil-freien Zustand zu befreien und – wenn geht – die Burg mit ausreichend großer Zahl an Rittern vorbeizuschupfen, damit eine anständige Belagerung durchgeführt werden konnte. Heute wissen wir: Nicht alles herbeizuschaffen war nicht die schlechteste Idee vom „Christkind“.

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