Tabuthema Alkoholsucht im Alter

Wenn Menschen über 60 an einer Alkoholsucht erkranken, kann das vielfältige Gründe haben. Oft trinken sie aus Angst, Einsamkeit, oder auch, um körperliche Schmerzen zu bekämpfen.

In einer geselligen Runde ist Herbert P. (Name geändert) immer der Lustigste. Er kennt die besten Witze und lacht von allen am lautesten. Das sagt zumindest seine Frau. Was in solchen Runden niemand mitbekommt, ist, dass sie, je länger der Abend dauert, ihrem 73-jährigen Mann immer öfter das Weinglas aus der Hand nimmt oder ihm unauffällig ein Wasserglas über den Tisch schiebt. Dass sie ihn spät in der Nacht in ein Taxi setzen, ihm beim Anziehen seines Schlafanzuges helfen und ihn ins Bett bringen wird. Dass Herbert Alkoholiker ist.

Herbert ist keiner von jenen Menschen, die schon ihr ganzes Leben lang getrunken haben. Im Gegenteil: „Ich hab‘ mein Leben lang hart gearbeitet“, sagt er und fährt sich durch das schüttere weiße Haar. Früher war Herbert Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Linz. Er durfte in Wien studieren, obwohl er aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Während des Studiums lernte er Ingrid kennen, später heirateten die beiden. Heuer kennen sie einander 50 Jahre. Sie haben drei Söhne und zwei Enkelkinder, ein schönes Haus am Stadtrand, vor dem teure Autos parken – alles finanziert durch Herberts eigene Arbeit. Außerdem vorhanden: Ein prallgefüllter Weinkeller.

Dass ihr Mann, seit er in Pension ist, ein Alkoholproblem hat, fiel Ingrid auf, bevor er selbst es realisierte. Vor dem Mittagessen nahm er nicht nur einen Aperitif. Kein Abend verging, an dem er nicht mindestens zwei Weinflaschen öffnete und mehrere „Verdauungsschnäpse“ benötigte. Bis sich Ingrid ihren Verdacht aussprechen traute, dauerte es aber viele Monate.

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