Superreiche wollen an den Meeresgrund
Richard Branson macht's spannend. Wen wird der Milliardär und Abenteurer in den nächsten zwei Jahren zu seinen "five dives" mitnehmen? Jenen Tauchgängen mit dem Drei-Mann-U-Boot Virgin Oceanic, bei denen erstmals alle tiefsten Punkte der fünf Weltmeere erforscht werden.
Sir Richard selbst steuert den Puerto-Rico-Graben im Atlantik an (8,4 km unter dem Meeresspiegel). Für die Reise in den Abgrund der Challenger-Tiefe (11 km) im pazifischen Marianengraben hat Branson den hierzulande unbekannten Abenteurer Chris Welch auserkoren. Damit sind noch drei Tauchgänge zu besetzen: ins Molloy-Tief (5,6 km) in der Grönlandsee, ins Diamantina-Tief (8 km) im Indischen Ozean und in den Süd-Sandwich-Graben (7,2 km) im Südpolarmeer.
Anders als bei der Tauchfahrt des Schweizers Jacques Piccard, der im Jahr 1960 mit einem geborstenen Fensterglas in 10 km Tiefe im Marianengraben aufsetzte, geht es Branson nicht allein darum, unten gewesen zu sein. Für seine Fahrt ins Ungewisse hat der Milliardär auch die Elite der US-amerikanischen Ozeanografen an Bord geholt.
Renaissance
Douglas Bartlett, Spezialist für Tiefsee-Bakterien am Scripps Institute in San Diego, wurde bei der Aufarbeitung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bekannt. "Ich erforsche, wie Lebewesen unter den extremen Bedingungen der Tiefsee überleben", erklärt Bartlett dem KURIER seine Rolle bei der Mission Tiefsee.
In die "Virgin Oceanic" wird der Forscher keinen Fuß setzen. Der Steuermann bekommt von den Forschern Anweisungen, wo er den Greifarm ausfahren und Sedimentproben nehmen soll. "Ich hoffe auf eine Renaissance der Tiefseeforschung", sagt Bartlett. Die sei bisher stiefmütterlich behandelt worden. Tatsächlich: Auf der ganzen Welt gibt es drei Tauchboote. Am weitesten kann das japanische Boot Shinkai in den Abgrund vordringen, bis maximal 6500 Meter. "Die spektakuläre Aktion" (der österreichische Meeresbiologe Gerhard Herndl) der US-Superreichen ist daher willkommen: "Man sitzt zwölf Stunden in einer Kapsel und sollte davor keinen Kaffee trinken." Was noch wichtig ist, lesen Sie hier:
Ist Branson der Einzige, der sich in die Tiefsee vorwagt?
Richard Branson macht die meisten Wellen, aber in seinem Windschatten rüsten weitere Promis mit Tiefgang ihre Tauchboote aus: Hollywood-Regisseur James Cameron ("Avatar", "Titanic", "Abyss") und Google-Manager Eric E. Schmidt etwa. Vorbild ist die Pionierfahrt der "Trieste", die bei exakt 10.912 Metern aufsetzte.
Ist die Fahrt in die Challenger-Tiefe vergleichbar mit der Mondlandung?
Der US-Meeresbiologe Douglas Bartlett vergleicht die "Virgin Oceanic"-Tour lieber mit der Expedition der "Trieste", dem bisher letzten Versuch, die Challenger-Tiefe zu erreichen.
"Leider mussten 50 Jahre vergehen, um an diese Leistung anzuschließen." Tiefsee-Forscher Herndl: "Wir wissen mehr über die Mondoberfläche als über die Tiefsee."
Kann man die Tiefsee kennenlernen, auch wenn man kein Milliardär ist?
Man kann. Der "Bentley" unter den bemannten Tauchbooten kostet laut der Herstellerfirma Triton Submarines (Florida) 2,1 Millionen Euro. Die Triton 3300-3 erreicht fast 1000 Meter Tiefe. Hier lassen sich mit ein bisserl Glück noch Pottwale beobachten. Das erste glasfaserverstärkte Tauchboot, mit dem Untersee-Touristen bis in die Challenger Tiefe vorstoßen können, wird frühestens in zwei Jahren vom Stapel laufen.
Welche Bedingungen herrschen in der Tiefsee?
Die Zone unterhalb von 6000 Meter heißt Hadal - nach dem griechischen Gott der Unterwelt. Als die Tauchkugel "Trieste" am 23. Jänner 1960 um 13.06 Uhr im Marianengraben aufsetzte, lasteten 200.000 Tonnen Gewicht auf der Konstruktion aus Krupp-Stahl. Jacques Piccard schaltete die Scheinwerfer ein. Mehr als einen Plattfisch konnte er nicht erkennen. Heute ist aber klar: Die Tiefsee lebt. 2010 dokumentierte ein Tauchroboter in 8 km Tiefe einen bis dahin unbekannten Fisch, den Weiß-Scheibenbauch. Auch Garnelen existieren in der stockdunklen Tiefsee. "Wir sprechen zwar vom Ende der Welt. Aber hier sammelt sich Müll an, der aus den oberen Wasserzonen nach unten regnet, die Shrimps müssen nur warten", sagt Tony Priede, Direktor des Meereslabors in Aberdeen.
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