"Plötzlich hat sie nicht mehr gelacht"

"Plötzlich hat sie nicht mehr gelacht"
Helena war ein normales Baby – jetzt muss die gesamte Familie ihren Alltag auf sie einstellen.

Aus dem Babyfon hört man Helena brummen, knurren und poltern. Irgendwas passt ihr nicht. Hat sie Hunger? Tut ihr etwas weh? Die Elfjährige kann sich nicht anders ausdrücken. Sie kann auch nicht mit den Händen greifen oder ohne Hilfe essen.

Als Baby schien sie sich normal zu entwickeln. Doch nach einigen Monaten begannen die epileptischen Anfälle – 5, 10, bis zu 20 an einem Tag. Die Eltern sind von einem Arzt zum anderen. "Auf dem EEG war nichts sichtbar." Es wurde schlimmer.

"Die Krankheit ist sehr zerstörerisch und durch nichts bremsbar."

"Plötzlich hat sie ein Jahr lang nicht gelacht." In dieser Zeit kam die Diagnose: Rett-Syndrom (siehe Info unten). "Die Krankheit ist sehr zerstörerisch und durch nichts bremsbar", erzählt ihre Mutter Evelyn. Helena verlernte alles, was sie als Kleinkind konnte. "Wir haben von Schulmedizin über Homöopathie und Traditionelle Chinesische Medizin alles probiert. Das hat mich manchmal beruhigt, aber die Anfälle waren nicht zu stoppen."

Bis heute. Nachts hat das Mädchen manchmal alle halben Stunden Anfälle. "Es ist wie mit einem Baby, bei dem man nicht weiß, was es will. Da fühlen wir uns oft ohnmächtig. Man muss zuschauen, wie dem Kind etwas weh tut und kann nichts tun."

In dieser Zeit hat sie auch gelernt zu beten. "Es hat geholfen daran zu glauben, dass es etwas gibt, diese Situation zu tragen. Beim Beten kommt eine Ruhe daher und man schöpft Ressourcen, die einen Sachen aushalten lassen."

Elfe und Rumpelwicht

Vater Manfred holt Helena ins Wohnzimmer und gibt ihr etwas zu essen. Sie wird ruhiger. "Sie ist gleichzeitig eine Elfe und ein Rumpelwicht. Sie hat etwas sehr Zartes und gleichzeitig sehr Direktes, weil sie sich gar nicht anders ausdrücken kann. Wenn man mit ihr ist, dann ist man mit ihr."

Als Helena zwei Jahre alt war, wurde ihr Bruder Gabriel geboren, erzählt Evelyn weiter. "Er wusste, wo er hinkommt. Gabriel ist derjenige, der Leichtigkeit in den Alltag der Familie bringt." Die Eltern achten aber darauf, dass er bei der Pflege von Helena nicht in die Pflicht genommen wird.

Dafür ist der Alltag straff organisiert. "Es muss alles genau abgestimmt sein. Einer muss immer für sie da sein", erzählt ihr Vater Manfred. "Wir können mit ihr nicht einfach in ein Kaffeehaus gehen. Sie ist in der Öffentlichkeit sehr auffällig und unberechenbar." Daher arbeiten die Eltern auch jeweils nur Halbzeit. "Ein Babysitter würde zu sehr ins Geld gehen. Und die Großeltern trauen sich die Aufsicht auch nicht mehr zu."

"Plötzlich hat sie nicht mehr gelacht"
Helena kaut inzwischen am Ärmchen von "Twinky", dem Maskottchen der Stiftung Kindertraum. Die Familie hat sich mit einem Herzenswunsch an die Organisation gewandt: Zu den wenigen gemeinsamen Unternehmungen gehören Fahrradausflüge ins Grüne. Daran hat auch Helena immer Freude. Aus den üblichen Kinder-Anhängern ist sie inzwischen jedoch herausgewachsen. Mit Hilfe der Stiftung Kindertraum und der KURIER-Leser soll nun ein "Rollfiets" finanziert werden – ein Rollstuhlfahrrad. Ohne Hilfe könnte sich die Familie so eine Anschaffung unmöglich leisten.

Um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, steht außerdem ein großer Umzug ins Haus – die Familie zieht von Gänserndorf in die Seestadt Aspern. "In Wien gibt es einen Willen, Strukturen für Behinderte zu schaffen. Dort bekommen wir eine Betreuerin, die nachts bei Helena schläft", hoffen die Eltern auf etwas Entlastung. "In Wien ist man draufgekommen, dass es günstiger ist, Eltern zu unterstützen, bevor sie ein Burn-out bekommen." Trotz der schwierigen Umstände, will die Familie Helena auf keinen Fall missen. "Sie fordert uns sehr, aber es ist auch ein Segen mit ihr. Man erfährt sich selbst auf eine eigene Art. Sie ist so pur."

SPENDENKONTO

Stiftung Kindertraum

IBAN: AT10 6000 0000 9011 8500

BIC: OPSKATWW

Kennwort: Helena

Benannt nach dem Wiener Kinderarzt Andreas Rett, der die Erkrankung 1966 beschrieben hat, ist das Rett-Syndrom eine neurologische Entwicklungs- störung, die meist zwischen dem 7. Lebensmonat und 2. Lebens- jahr eintritt. Betroffen sind fast nur Mädchen. Dabei verliert das Kind bereits erlernte Fähigkeiten, verlernt Sprechen und Greifen. Die Folge ist schwere körperliche und geistige Behinderung. Typisch sind auch wischende Handbewegungen und häufige epileptische Anfälle. In Österreich werden jährlich drei bis fünf Kinder mit Rett-Syndrom diagnostiziert.

Stiftung Kindertraum

Seit 1998 gibt es die Stiftung Kindertraum, mit dem Ziel schwer kranken und behinderten Kindern Herzenswünsche zu erfüllen. Immer öfter können sich Familien nicht einmal mehr Therapien oder benötigte Hilfsmittel leisten. Das Geld für die Finanzierung stammt aus Spenden und Erlösen von Benefizaktionen. Seit der Gründung konnten mehr als 2300 Wünsche realisiert werden.
01 / 585 45 16

Für besonders viel Anteilnahme sorgte die Geschichte von Dominik Göres, der nach Komplikationen bei seiner Geburt zu 100 Prozent behindert ist. Vater und Mutter wechseln einander mit der Pflege Tag und Nacht ab, weil ihr Sohn immer wieder zu starken Krämpfen neigt. Die KURIER-Leser spendeten nach dem Hilfs-Aufruf mehr als 40.000 Euro für die Familie, die über die vergangenen vier Jahre sorgsam für Therapien und Hilfsmittel eingesetzt wurden.

"Plötzlich hat sie nicht mehr gelacht"
Stiftung Kindertraum
Voriges Jahr hat die Familie Zuwachs bekommen: Jetzt wacht Buddy, ein Mischlingshund, Tag und Nacht über Dominik. „Wenn er krampft, lässt Buddy rundherum alles stehen und ist bei ihm. Er versucht sogar ihn mit seinen Leckerlis abzulenken“, erzählt Dominiks Mutter Sabrina Göres begeistert. „Es war die beste Entscheidung Buddy letztes Jahr zu uns zu holen.“

Zu seinen üblichen Therapien bekommt Dominik jetzt auch eine Botoxtherapie, um seine spastischen Anfälle etwas unter Kontrolle zu bringen. „Dafür hat er etwas Neues gelernt: Er beißt mit meiner Hilfe bei Milchschnitten ab – darüber freut er sich so sehr, dass ich aufpassen muss, dass er mir vor Begeisterung nicht in die Finger beißt.“

Der Alltag von Familie Fuchs ist schwer nachzuvollziehen. Die Krankheit des 15-jährigen Christian stellt sie jeden Tag vor neue Herausforderungen. Ein Gendefekt zwingt ihn, sich und sein Umfeld ständig zu verletzen. Er leidet unter dem seltenen Lesch-Nyhan-Syndrom.

Christian versucht sich etwa an der Nase zu kratzen und schlägt sich oder ein Familienmitglied blutig. Sein Vater Thomas Fuchs erklärt: „Christian versteht, was er macht, kann es aber nicht verhindern und entschuldigt sich dann unzählige Male.“

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Die Familie lebte aus beruflichen Gründen lange Zeit im Ausland, doch Christians Erkrankung zwang sie dazu, in die Heimat zurückzukommen und wieder bei null anzufangen. Seit dem KURIER-Besuch vor zwei Jahren hat sich einiges getan: – die Familie hat eine Wohnung gefunden und Thomas Fuchs hat einen Job.

Da Christian immer größer wird und der Umgang mit ihm dementsprechend schwerer, leiden seine Eltern jedoch immer mehr unter Rückenbeschwerden. „Wir hoffen, dass wir uns irgendwann ein Rollstuhl-gerechtes Auto leisten können damit wir hin und wieder mit Christian etwas unternehmen können.“

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