Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben

Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben
Die Wiener Fans feiern heuer ihren Science-Fiction-Gott – und auch sich selbst.
Von Uwe Mauch

Der Mitarbeiter des Wiener Bürgermeisters im Ruhestand hat zur Feier des Tages eine Seidenkrawatte angelegt. Mit einem Konterfei von Perry Rhodan, das seine Frau eigenhändig aufgemalt hat.

Freitagabend in einem Wirtshaus hinter dem Rathaus: Der Besuch des Stammtisches ist für Karl "Charly" Ohri Pflicht. Für ihn ist Perry Rhodan der Held seiner Kindheit, der Held seiner Jugend, Held seines Erwerbslebens und Held seines wohlverdienten Ruhestands.

Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben
Perry Rhodan, Fan Convention, im Hofbräu zum Rathaus am 04.03.2016 in Wien

Perry Rhodan ist ein Phänomen in der deutschsprachigen Publizistik: Seit dem 8. September 1961 fliegt er durchs Weltall bzw. durch die Zukunft. Woche für Woche, Heft für Heft rettet er die Guten vor den Bösen. Nicht mehr lange, dann erscheint im deutschen Pabel-Moewig-Verlag der 3000. Serienteil.

Charly ist einer von Zigtausenden treuen Lesern. Gemeinsam mit seiner Science-Fiction-Serie ist auch er in die Jahre gekommen. Wie so viele hat er die Welt von Perry Rhodan in seiner Jugend kennengelernt. Diese Welt eröffnete ihm andere Galaxien als das kleine Nachkriegsösterreich mit seinen strengen Lehrern und Eltern. Die Roman-Hefte, die heute noch in der baden-württembergischen Kreisstadt Rastatt am Rhein hervorgebracht werden, wurden vielfach dämonisiert und als "Schundheftln" abgetan.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lesen sie noch heute.

Charly Ohri hat alle Hefte konsumiert und kommt seit Anfang an zum Stammtisch der Wiener Rhodan-Freunde. Die treffen sich seit 20 Jahren am ersten Freitag des Monats, was heuer gefeiert wird. Doch Obacht! Wer einen Haufen verkrachter Freaks erwartet, wird enttäuscht.

Der pensionierte Gemeindebedienstete ist heute gerührt. In einem der jüngsten Romanhefte (mit der Nr. 2834) wurde er quasi unsterblich gemacht. Er darf in dieser Ausgabe als Ccarlc Ohri aktiv in die aktuelle Handlung eingreifen.

Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben
Perry Rhodan, Fan Convention, im Hofbräu zum Rathaus am 04.03.2016 in Wien

Die Zukunft beginnt: 1971

Irgendwo mitten drinnen sagt dieser Ccarlc Ohri den Furcht erregenden Satz: "Seht euch doch um! Diese widerwärtige Planetenstadt schreit geradewegs danach, nach allen Regeln der Kunst zerstört zu werden." Mit dem echten Ohri hat das wenig gemein. Der streicht über seine Krawatte und erinnert sich, wie er als Rathausbeamter gleich nach dem Büro in die Trafik gestürmt ist, um die neue Folge zu kaufen. Auf dem Heimweg in der Tram hat er das Heftl mit den dünnen 60 Seiten "in einem Zug ausgelesen". Der Schöpfer seines Alter egos im Roman sitzt heute gemeinsam mit ihm am Tisch. Michael Marcus Thurner ist einer von wenigen Österreichern, die in der Runde der Rhodan-Lohnschreiber Aufnahme fanden. Bis dato stammen knapp 100 Serienteile aus seinem Gehirn.

Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben
Perry Rhodan, Fan Convention, im Hofbräu zum Rathaus am 04.03.2016 in Wien

Thurner ist, seit er 14 ist, ein Fan – von Rhodan und von Rapid. Den Unterschied zwischen seinen galaktischen Hütteldorfern und dem Weltall erklärt er so: "Die Leidenschaft mit den Grün-Weißen konnte ich gut mit Gleichaltrigen teilen, jene fürs Teleportieren nur mit mir selbst."

Aus einem leidenschaftlichen Fan wurde später ein manchmal leidender Autor: "Ich schreibe meine Romanteile meistens in der Nacht, nicht unbedingt zur Freude meiner Frau und meiner Kinder."

Das erste Perry-Rhodan-Heft ist wie gesagt im Jahr 1961 erschienen. Es spielte in der Zukunft: 1971. Ein Amerikaner mit deutschen Vorfahren tritt an, um die Welt zu retten. Lange wird Rhodan von Kritikern zum Nazi im All stilisiert. Was seine Fans heute noch schmerzt. Leo Lukas, besser bekannt als Kabarettist, aber ebenso Rhodan-Autor, verteidigt seinen lebenslangen Helden: "Der hat in seinen Ansichten viel mehr mit Che Guevara gemeinsam."

Perry Rhodan: Ein Held fürs ganze Leben
Perry Rhodan, Fan Convention, im Hofbräu zum Rathaus am 04.03.2016 in Wien

Er sei ein Weltbürger, besser gesagt Terraner, wie das in den Heften heißt. Betont Lukas. Die Mehrheit der Rhodan-Leser wählt laut einer Leserumfrage die Grünen (nicht Rapid). Wichtigste Zielgruppe seit dem Serienstart: reifere, beleibtere Männer in technischen Berufen.

2016: Lichtjahre später

Heute schreiben Lukas und seine Kollegen bereits das Jahr Fünftausendirgendwas. Lichtjahre entfernt ist auch der Wiener Stammtisch, zumindest von deutschen Fangruppen. In Wien darf man auch Witze oder von anderen Sammelleidenschaften erzählen. Und von der Extrazimmerwand beobachtet Kaiser Franz Joseph das bunte Treiben.

"Ich habe den Perry als Bub, nach einer Blinddarmoperation in einem Voitsberger Krankenhaus, kennengelernt", erinnert sich Leo Lukas. Immer hat der Sohn aus einer steirischen Bergarbeiterfamilie auf die Perry-Rhodan-Heftln gespart. "Auch noch als Erwachsener." Der Blick in die Sterne hat auch ihm neue Perspektiven eröffnet.

Und am Ende "seiner" Episode schwebt Ccarlc Ohri im Tarnschutz-Modus davon. Bevor er getötet wird. Kein Happy End! Dennoch geht sein Namensgeber heute beglückt heim. In seinem Heftl steht seit heute eine Widmung von seinem Lieblingsautor: "Für Charly, einen treuen Perry-Fan, den ich leider, leider in diesem Roman töten musste. Sorry – und noch ein langes Leben!"

Erfolgsgeschichte

Das erste Perry-Rhodan-Hefte erschien vor 55 Jahren. An die 100.000 Rhodan-Hefte werden noch immer Woche für Woche im deutschsprachigen Raum abgesetzt. Erzählen Leo Lukas und Marcus Michael Thurner, wenn es sein muss. Vor allem jenen, die den literarischen Wert der fiktiven Texte infrage stellen.

Jubiläum

Der Wiener Rhodan-Stammtisch trifft sich seit zwanzig Jahren. Das wird vom 30. 9. bis 2. 10. auch im Rathaus gefeiert: www.frostrubin.com.

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