Skifahren: Wer hat's wirklich erfunden?

"Viel hat sich an der Ausrüstung der Nomaden im Altai-Gebirge über die Jahrtausende nicht geändert", sagt Ayiken Jiashan, Führer und Ski-Experte im nordwestlichsten Zipfel Chinas: Zwei mannshohe Brettln mit fellbezogener Unterseite, Lederriemen, um sie an den Füßen zu befestigen und ein taijak, ein hölzerner Stab, der beim Lenken und Gleichgewicht halten hilft. Heute wie damals stellen die Jäger auf ihrer primitiv anmutenden Ausrüstung Wapitis, Bären und Zobeln nach.
Warum das spannend ist? Weil chinesische Forscher neuerdings die Anfänge des Skilaufs im Altai auf 8000 v. Chr. datieren: Hier soll alles begonnen haben, hier soll sich ein findiger, steinzeitlicher Jäger nach der letzten Eiszeit als Erster Holzplanken unter die Füße gebunden haben, um sein potenzielles Mittagessen auch im Schnee verfolgen zu können. Hier hat man uralte Felszeichnungen von Menschen auf Brettln entdeckt, die einem Steinbock nachstellen. Einige chinesische Wissenschaftler denken, sie könnten 10.000 Jahre alt sein.
Allerdings sind Felszeichnungen schwer zu datieren, und "so ist der Streit darüber, wo es die ersten Skifahrer gab, voll entbrannt", sagt Ski-Experte Ayiken Jiashan. "Denn auch die Norweger haben Ski-Felszeichnungen und in Russland wurde in einem Torfmoor etwas geborgen, das eine Skispitze sein könnte." Das Alter? Um die 8000 Jahre.
Jedes dieser Länder erhebt daher den Anspruch, Wiege des Skifahrens zu sein.
Antikes Skihaserl
"Das Skihaserl von Rødøy, das Logo des Holmenkollen-Museums in Oslo, ist eine ganz bekannte Zeichnung", sagt Hannes Nothnagl, Direktor des Wintersportmuseums Mürzzuschlag. 15 Zentimeter hoch mit 35 Zentimeter Skiern. Wie eine schnelle Zeichnung eines zeitgenössischen Witzboldes mutet es an. Ein Hase oder ein mit einer Hasenmaske geschmückter Skifahrer? Die Forscher streiten noch darüber, ob er in der Hand einen Skistock trägt oder eine Waffe, die er zur Jagd mit sich führt.

Was unstrittig ist: Die Kritzelei ist mehr als viereinhalb Jahrtausende alt, und belegt, neben einer Vielzahl ähnlich alter Höhlenmalereien in Skandinavien und im Norden Russlands, die meist Jagdszenen darstellen, auf welch eine Tradition die Schneebretter zurückgehen.
Über die Jahrzehnte haben Archäologen Hunderte Skier aus Mooren und Sümpfen Skandinaviens gezogen und das in jeder beliebigen Länge zwischen fünfzig und mehr als 200 Zentimetern. Die ältesten Skier, bei Hoting in Schweden gefunden, konnten die Forscher mit der Radiokarbonmethode verlässlich auf 2500 v. Chr. datieren.
Das Skifahren ist auch tief in der nordischen Mythologie verankert. Etymologen – das sind Forscher, die sich mit der Herkunft von Wörter befassen – gehen davon aus, dass der Name Skandinavien auf Skadi, die Göttin der Jagd und des Skilaufs zurückgeht.
Jagd und Ski
Dass Skadi im Himmel sowohl für Jagd als auch Ski zuständig war, ist kein Zufall, sondern deutet den Hauptzweck des Skifahrens an. Der "Königsspiegel", das wichtigste literarische Werk des mittelalterlichen Norwegens, beschreibt an mehreren Stellen geradezu begeistert, wie überlegen die Jäger jedem beliebigen Wild gegenüber waren, wenn es erst geschneit hatte: "... dass oben auf den Bergen nichts, was sich auf der Erde bewegt, im schnellen Laufe dem Manne entgehen kann, der Bretter an den Füßen hat".
Das klingt mittelalterlich-romantisch. Doch steckt viel Wahrheit darin: Ist der Schnee erst hoch genug, sind Hirsch und Rentier gehbehindert und eine leichte Beute für den Skifahrer. Deshalb galt in Skandinavien: Winterzeit ist Jagdzeit. Zumindest ehe die Schusswaffen erfunden wurden, als man noch mit Lanze, Axt oder Dolch das Wild zur Strecke brachte.
Bei aller Ski-Tradition in Skandinavien: Auch Etymologen denken, dass die praktischen Brettln, so der neueste Forschungsstand, von Migranten aus dem Osten, den Uiguren, mitgebracht worden waren.
Uiguren? Sie stammen aus der Gegend um das Altai-Gebirge zwischen Kasachstan, Russland, der Mongolei und China. Womit wir wieder am Anfang unserer Geschichte wären.
Und Österreich?
Hannes Nothnagl, der Direktor des Wintersportmuseums Mürzzuschlag, bestätigt: "Das Thema Ski hat in Skandinavien und Russland eine viel längere Tradition. Aber wir wähnen, die Skination-Nummer 1 zu sein und leben in der Gegenwart." Diese Gegenwart beginnt am Ende des 19. Jahrhunderts. Und Österreich hat eher eine Schreitschuh und keine Gleitschuh-Tradition: "Schneeschuhe gab es schon sehr lange, doch wir gehen davon aus, dass es um 1880 erste Skifahr-Versuche gegeben hat", sagt Nothnagl.
Pioniere ließen sich aus Norwegen Skischuhe – so hießen die Skier damals noch – schicken. Später begannen Wagner Ski zu bauen und Sattler Bindungen zu erzeugen. Hotels entstanden.
Doch das ist eine andere Ski-Geschichte.
... Siegmund Freiherr von Herberstein 1549 als erster das Wissen um "Schneeschuhe" nach Mitteleuropa brachte? 1517 und 1526 reiste er als Gesandter des Kaisers nach Russland und lieferte in seinen Reiseberichten "Rerum Moscoviticarum commentarii" eine der frühesten Abbildungen von Skiläufern.
... Skier schon früh zu Kriegszwecken verwendet wurden? Etwa im Dreikronenkrieg zwischen Dänemark und Schweden (16. Jh.). In Österreich führte Leutnant Georg Bilgeri die Skier in die k. u.k. Armee ein. Legendär ist auch die Flucht von Gustav I. Wasa auf Skiern vor den Soldaten des dänischen Königs Christian II. im Jahr 1521. Bis heute erinnert der Wasa-Lauf in Schweden daran.
... in Trysil (Norwegen) 1861 der erste Skiclub der Welt gegründet wurde? Unter den Wintersport-Pionieren war auch der Polarforscher und Friedensnobelpreisträger Fridjof Nansen, der 1888 Grönland auf Skiern durchquerte und mit seinem Buch "Auf Schneeschuhen durch Grönland" überall auf der Welt für Furore sorgte.
... St. Anton am Arlberg als Wiege des Wintersports gilt? Dort versuchten sich Wintergäste 1885 erstmals als Skifahrer. Die Nobel-Skiorte St. Moritz und Davos dagegen rittern darum, wo vor ca. 150 Jahren der Wintertourismus erfunden wurde – da wie dort handelte es sich mehr um Kur- denn um Wintersportaufenthalte.
... der erste Lift 1908 am Bödele in Vorarlberg eröffnet wurde? Der hatte nichts mit heutigen Aufstiegshilfen zu tun: Es handelte sich um einen bootähnlichen Schlitten. Die erste motorgetriebene Aufstiegshilfe wurde 1934 in Davos gebaut.
... Rudolf Lettner der erste war, der Stahlkanten auf seine Eschenholz-Brettln montierte – nach einem kapitalen Sturz bei einer Abfahrt vom Eiskogel im Tennengebirge?
... nicht Schweizer oder Österreicher den Ski-Rennsport erfunden haben, sondern in den Alpen urlaubende Briten? Als Vater der Slalom- und Abfahrtsdisziplin gilt der Hotelierssohn Sir Arnold Lunn. 1911 organisierte er in Crans Montana das erste Abfahrtsrennen, Kandaharcup genannt. 1922 steckt Sir Lunn den ersten offiziellen Slalom der Skigeschichte – in Mürren im Schweizer Oberland.

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