30, Single: Zwischen Ansprüchen und Torschlusspanik

30, Single: Zwischen Ansprüchen und Torschlusspanik
Jeder Fünfte um die 30 ist solo und auf der Suche - die Ursachen, die Auswege

So kann’s gehen: Erst hatte das Studium Priorität, dann kam die Karriere. Seine letzte Partnerschaft erlebte Harald vor drei Jahren, danach folgte eine Serie kurzer, nicht wirklich erfüllender Bekanntschaften und Dates. Beziehungsstatus: "suchend".

Kein Wunder – für "mehr" fehlt dem 33-jährigen Mediziner die Gelegenheit. Fixer Job, viele Überstunden, wenig Freizeit – da geht gerade einmal ein bisschen Sport. Oder man trifft Freunde. Eine intensivere Partnersuche passt nicht in den Terminkalender. Die "Rushhour des Lebens" nennt Parship-Psychologin Caroline Erb diese Phase um die 30: Nach der Ausbildung steht man oft zum ersten Mal auf eigenen Beinen und beginnt, Karriere zu machen. "In diesem Alter kommt viel zusammen und am liebsten hätte man auf Knopfdruck auch noch Mr. oder Mrs. Right. Der Wunsch nach einer dauerhaften Partnerschaft wird größer", sagt Erb.

Sehnsucht

Aber der Druck steigt – seitens der Familie oder durch Freunde. Dazu kommen die Ansprüche an sich selbst. Der Druck sei – laut Erb – bedeutender als in den Zwanzigern. "Die gesellschaftliche Durchlässigkeit für verschiedene Lebensarten ist zwar größer geworden, um die 30 entsteht aber bei den meisten der starke Wunsch, in einer festen Beziehung zu sein", sagt auch Familienforscher Olaf Kapella (siehe Interview). Immerhin sind laut einer Parship-Umfrage bei den 30- bis 39-jährigen Singles 84 Prozent der Freunde in einer festen Partnerschaft, viele haben bereits Kinder. Sticheleien und Fragen, wann man denn endlich einen Partner vorstellt, verschärfen die Lage noch. "Nicht jeder Single kann es genießen, immer wieder auf Hochzeiten eingeladen zu sein oder bei Pärchenurlauben mitzufahren. Man muss auf die Dosierung achten und darf sich nicht frustrieren lassen", rät Erb.

30, Single: Zwischen Ansprüchen und Torschlusspanik
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Das ist nicht leicht – speziell für junge Frauen mit Kinderwunsch. Die Partnersuche gestaltet sich noch komplexer – wie bei der 30-jährigen Sandra. Ihr potenzieller Partner muss nämlich auch Kinder wollen. Vier fixe Beziehungen zwischen sieben Monaten und vier Jahren Dauer hatte sie bisher, seit einem Jahr ist sie Single. "Ich lasse es jetzt nicht mehr einfach so laufen wie vor ein paar Jahren, weil ich einen Partner suche, mit dem ich eine Familie gründen und alt werden möchte", erzählt sie. Psychologin Erb beobachtet, dass sich die Ansprüche verschieben: "Man achtet z. B. mehr darauf, dass jemand gefestigt, verantwortungsvoll, finanziell unabhängig ist. Jüngere leben hingegen öfter von Tag zu Tag und wollen Spaß haben."

Allerdings laufen Singles um die 30 Gefahr, in die Perfektionsfalle zu tappen. Kaum eine Altersgruppe ist so anspruchsvoll und sucht gleichzeitig so aktiv nach einem Partner wie die 30- bis 39-Jährigen. Erb: "Man hat bereits einiges erlebt, auch Enttäuschungen. Viele entwickeln eine idealisierte Vorstellung vom Traumpartner und wollen nicht davon abrücken." Zwar ist für die meisten Singles die Liebe das wichtigste, doch nur 11 Prozent würden für einen neuen Partner den Wohnort wechseln. Haralds Traumfrau soll etwa Akademikerin sein und unbedingt in seinem Alter: "Mit über 30 stelle ich mir eine Beziehung mit einer deutlich jüngeren Frau schwierig vor. Sie hat vielleicht gerade erst mit dem Studium begonnen und möchte diese Zeit voll ausleben."

Konkrete Vorstellungen

Sandra hat ebenfalls konkrete Vorstellungen von einem Partner: "Aktiv und sportlich sollte er sein, gerne tanzen und offen gegenüber Neuem sein." Sie hat für die Partnersuche weniger Zeit als in den Zwanzigern, deshalb ergreift sie oft die Initiative: "Mit zunehmendem Alter bin ich selbstbewusster geworden und gehe anders auf Männer zu. Ich warte nicht, bis ich angesprochen werde, sondern agiere, wenn mir jemand zusagt." Laut Familienforscher Kapella eine allgemeine Entwicklung: "Frauen sind selbstbewusster bei der Partnersuche. Die typischen Geschlechtszuschreibungen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert."

Wer zu intensiv sucht, komme aber nicht weiter, meint der 31-jährige Grafiker Bernhard. Er hält deshalb nicht aktiv nach einer Partnerin Ausschau. "Irgendwie ergibt es sich doch immer wieder, dass ich über Freunde oder die Arbeit wen kennenlerne. Selbst, wenn man meint, dass man kaum fortgeht oder den ganzen Tag nur arbeitet – es gibt sie, die glücklichen Zufälle." Während Studium und Selbstständigkeit hatte er wenig Zeit für eine fixe Beziehung – die letzte ist fünf Jahre her. Danach begegnete er vor allem Frauen, die sich zwar gerne treffen, Spaß und vielleicht Sex haben wollten, eine fixe Beziehung aber ablehnten. Aber er will mehr.

Auch wenn die Partnersuche auf sich warten lässt, rät Expertin Erb zu Geduld. "Die Liebe lässt sich nicht herbeiwünschen, es hilft aber, unter Leute zu gehen, sportlich und kulturell aktiv zu sein. Man kann den Traumpartner auch im Supermarkt treffen, vorausgesetzt, man geht die Suche entspannt an." Niederlagen und Körbe gehören dazu und dürfen nicht entmutigen. Schließlich braucht es in jeder Altersgruppe nicht nur aktives Bemühen, um die Liebe zu finden, sondern auch ein wenig Glück.

30, Single: Zwischen Ansprüchen und Torschlusspanik

Sozialwissenschaftler Olaf Kapella beschäftigt sich am Institut für Familienforschung mit dem Einfluss gesellschaftlicher Veränderungen auf das Beziehungsverhalten.

KURIER: Hat sich das Beziehungsverhalten 30-Jähriger in den vergangenen Jahren geändert?
Olaf Kapella: Vor Jahrzehnten hatten Beziehungen und Ehen viele formale Gründe, etwa die Statusabsicherung oder das Vererben von Besitz. Das spielt heute keine Rolle mehr. Wir merken, dass das Eingehen von Beziehungen, der Kinderwunsch und das Gründen von Familien sich deutlich nach hinten verschoben haben. Das zeigt sich etwa in einem steigenden Alter bei der ersten Geburt sowie im späteren Erstheiratsalter.

Woher kommt diese Verschiebung?
Heute überlegen viele Paare bevor sie Kinder bekommen. Zuerst muss für viele die Wohnungs- und Berufssituation passen und die eigene Ausbildung abgeschlossen sein. Seit den 1970er Jahren hat sich außerdem das Bild der Frauen gewandelt – sie gründen nicht mehr nur Familien, sondern erhalten diese auch selbst. Die Geschlechtsrollen von vor 30 Jahren passen für viele nicht mehr.

Haben sich die Erwartungen an 30-Jährige gewandelt?
Die gesellschaftliche Durchlässigkeit für unterschiedliche Lebensarten ist größer geworden. Man muss beispielsweise nicht gleich mit einer neuen Bekanntschaft zusammenziehen. Es gibt eine Vielfalt unterschiedlicher Lebenskonzepte. Das Living-apart-together (LAT), das heißt Paare, die zwar eine fixe Beziehung führen, aber keinen gemeinsamen Haushalt führen, nimmt zum Beispiel zu.

Auf welche Herausforderungen stoßen um die 30-Jährige?
Oft geht es gar nicht so sehr darum, wann man eine Familie gründet, sondern wie man sich mit verschiedenen Situationen arrangiert. Viele haben Patchwork-Situationen, mit denen sie lernen müssen, umzugehen. Auch das Single-Sein ist eine Phase, die immer wieder in der Biografie auftauchen kann, und wo oft akzeptiert wird, dass man eine Zeit lang alleine lebt.

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