Neuseeland: Ardern bei Interview zu Zeugung befragt

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern und ihr Lebensgefährte Clarke Gayford
Babytalk und sexistische Fragen: Ein Interview des australischen Nachrichtenformats "60 Minutes" sorgt derzeit für Aufregung. Neuseelands Premierministerin wurde nicht zu politischen Themen, sondern eingehend zu ihrer Schwangerschaft befragt.

„Innenpolitische Themen wie Wohnungsbau oder Hochschulpolitik interessieren mein australisches Publikum nicht" verteidigt Journalist Charles Wooley sein Interview mit Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern. Das Interview, das vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, sorgt für Empörung - vor allem in den sozialen Medien. Denn über Innenpolitik wurde tatsächlich nicht viel diskutiert, im Zentrum des Interviews standen vielmehr Geburtstermin, Zeugungstermin und Arderns Aussehen. Einleitend sagte der Interviewer Wooley „Ich habe schon viele Premierminister getroffen, aber noch nie jemanden so jungen, so klugen und niemals jemanden so attraktiven." Dass er eine Spitzenpolitikerin vor sich hatte, hielt Wooley nicht davon ab, private Fragen zu stellen und Ardens Schwangerschaft untergriffig zu kommentieren.

"Wichtige politische Frage"

So sagte Wooley "Eine wirklich wichtige politische Frage, die ich Ihnen stellen möchte, ist, wann genau wird Ihr Baby auf die Welt kommen?" Da es sich bei dem TV-Format "60 Minutes" um ein investigatives, politisches Nachrichtenmagazin handelt, musste die Frage nach dem Geburtstermin Ardern sichtlich irritieren. Doch antwortete sie lächelnd "Am 17. Juni". Doch Wooley setzte noch eins drauf: "Es ist interessant, dass viele Menschen zurückrechnen - zum Datum der Zeugung", meinte er. Ardern sagte, dass Baby sei nach den Wahlen gezeugt worden, wolle dazu aber nicht weiter ins Detail gehen.

Zuseher, die sich von der Sendung auch politische Inhalte erhofft hatten, wurden enttäuscht. Wooley redete lieber davon, dass er wie die meisten Neuseeländer "etwas verliebt" in die Politikerin sei und warum es eine nette Person wie sie „in die schäbige Welt der Politik verschlagen" habe. „Auch nette Leute gehen in die Politik", entgegnete sie trocken. Eine Twitter-Userin schrieb „Alles was kam, waren sexistische Kommentare über ihr Aussehen und Baby-Talk". Das Interview kam beim Publikum generell nicht gut an, da die Fragen oberflächlich und viel zu privat waren. Doch schon vor der Ausstrahlung hätte man erahnen können, dass nicht die Politik im Mittelpunkt stehen würde. Der Sender hatte schon im Vorfeld mit einem „Hinter-den-Kulissen-Special" über eine Spitzenpolitikerin, die „jung, ehrlich und schwanger" ist, geworben.

Politik und Familie Jacinda Ardern hatte ihre Schwangerschaft im Januar über soziale Medien öffentlich gemacht. „Unser Team wächst von zwei auf drei", schrieb sie damals. Wie andere Eltern auch würde sie nun ebenfalls zwei Dinge unter einen Hut bringen müssen - ihren Beruf und die Familie. Ardern ließ auch mitteilen, sie würde ihre Pflichten als Premierministerin ebenso ernst nehmen wie die als Mutter. Nach der Geburt wolle sie eine sechswöchige Auszeit nehmen, währenddessen der stellvertretende Premierminister und Vorsitzende der Koalitionspartei Winston Peters , die Regierungsgeschäfte übernehmen werde.

Schon einmal hatte ein Interview mit Ardern zu einer Welle der Entrüstung in den sozialen Medien geführt. Damals war sie vom Moderator Mark Richardson gefragt worden, ob sie plane, Mutter zu werden. Ardern entgegnete „Es ist absolut nicht zu akzeptieren, dass Frauen im Jahr 2017 diese Frage an ihrem Arbeitsplatz beantworten müssen".

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